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FC287a, Kleinwüchsige Menschen in Ausbildung und Beruf Teil

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gesagt. Aber man kann viel erzählen, die Leute glauben das nicht so unbed<strong>in</strong>gt oder glauben nicht,<br />

dass es sie persönlich auch trifft. ‚Ach, das wird schon‘, haben sie dann gesagt“.<br />

Dass sie <strong>in</strong> persönlicher H<strong>in</strong>sicht, besonders als Beh<strong>in</strong>derte von der Wende nur profitiert hat, lässt<br />

Sonja Willschneider nicht <strong>in</strong> Hurra-Rufe ausbrechen. Denn ihre Verbesserungen sieht sie nur <strong>in</strong><br />

dem Kontext e<strong>in</strong>es festen Arbeitsverhältnisses gegeben.<br />

„Mir hat die Wende nur Vorteile gebracht. Aber nur <strong>in</strong> dem Zusammenhang, dass man Arbeit hat.<br />

Ohne Arbeit als Beh<strong>in</strong>derte, na ja! Da weiß ich was Schöneres. Sie kriegen ja die ganzen Vergünstigungen<br />

nur, wenn sie e<strong>in</strong>e Arbeit haben. Alles andere ist schwieriger. Sie müssen e<strong>in</strong>en unbefristeten<br />

Arbeitsplatz nachweisen, sonst haben Sie von den ganzen Vorteilen gar nix“.<br />

Das gleiche – Vergünstigungen nur bei Arbeit – gilt für sie auch, was die verbesserte Hilfsmittelsituation<br />

anbelangt:<br />

„Zum Beispiel e<strong>in</strong> Auto. Das hatte ich zu DDR-Zeiten gar nicht. Und die Bezuschussung zur Küche.<br />

[...] Aber – wie gesagt – wenn Sie ke<strong>in</strong>e Arbeit haben, fällt das schon alles flach. Es steht <strong>und</strong> fällt<br />

vieles wirklich mit der Arbeit“.<br />

Und beim Reisen ist es genau so....<br />

„Die Reisemöglichkeiten haben sich verbessert. Wir verreisen sehr viel, zweimal im Jahr. Wir waren<br />

schon fast überall. Das s<strong>in</strong>d aber alles Sachen, die abhängig s<strong>in</strong>d von Arbeit <strong>und</strong> dass Sie Geld<br />

haben“.<br />

Ihre eigene berufliche <strong>und</strong> f<strong>in</strong>anzielle Lage ist derzeit als ziemlich gesichert anzusehen, zumal ihr<br />

Mann auch e<strong>in</strong>e unbefristete Stelle hat. Gefragt nach persönlichen Eigenschaften, die ihr <strong>in</strong> ihrer<br />

beruflichen Tätigkeit zugute kommen, gibt Sonja Willschneider Kontaktfreude <strong>und</strong> Ehrgeiz an.<br />

Kontaktfreude im Privaten lässt sie immer wieder aufbrechen, fremde Länder kennen zu lernen. Für<br />

e<strong>in</strong>e Frau von 86 cm ist das sicherlich nicht die Regel, gleichzeitig reagiert sie jedoch sozusagen mit<br />

gesträubtem Gefieder, wenn sie sich nur unter dem Aspekt der Beh<strong>in</strong>derung wahrgenommen fühlt.<br />

So führt ihr der Kontakt mit andern Ländern <strong>in</strong> für sie deprimierender Weise vor Augen, dass Beh<strong>in</strong>derung<br />

hier <strong>in</strong> Deutschland, aber nicht notwendigerweise dort buchstäblich „kle<strong>in</strong> macht“.<br />

Wir fahren regelmäßig dah<strong>in</strong>, Südamerika, Afrika, Dschungel. Ich sage mal, solange wir das noch<br />

können. Es gibt da nirgendwo beh<strong>in</strong>dertengerechte E<strong>in</strong>richtungen, aber viel aufgeschlossenere<br />

Leute. Und dort werden Sie nicht zum Beh<strong>in</strong>derten gemacht. Ich b<strong>in</strong> jedes Mal deprimiert, wenn ich<br />

<strong>in</strong> Deutschland wieder auf dem Flughafen ankomme. Die Afrikaner sehen nicht unbed<strong>in</strong>gt die Beh<strong>in</strong>derung,<br />

die helfen e<strong>in</strong>fach, ohne adss man da was sagt. Ich will gar nicht unbed<strong>in</strong>gt, dass man<br />

mir hilft. Wenn ich Hilfe brauche, sage ich das. Aber dort ist das gar nicht das Thema. Dort sagt<br />

auch ke<strong>in</strong>er: ‚Das kannst du nicht‘. In Deutschland immer: ‚Ja kannst du das?‘ Sollen die Leute<br />

doch bitte schön mir überlassen, ob ich das kann. Und das ist <strong>in</strong> Deutschland allgeme<strong>in</strong>, im Westen<br />

<strong>und</strong> im Osten. Und die Bevorm<strong>und</strong>ung hier! Ich empf<strong>in</strong>de das nirgendwo so wie <strong>in</strong> Deutschland, so<br />

schlimm, so besserwisserisch“.<br />

Besonders bei der sogenannten „Ich-me<strong>in</strong>e-es-doch-nur-gut“-Fraktion gerät sie regelrecht <strong>in</strong> Rage.<br />

So versuchen ihre Chef<strong>in</strong> <strong>und</strong> Amtskollegen des öfteren, vom Nutzen irgendwelcher Hilfsmittel zu<br />

überzeugen, die sie nicht will.<br />

Die sollen mich damit <strong>in</strong> Ruhe lassen. Me<strong>in</strong>e Chef<strong>in</strong> war auf e<strong>in</strong>em Lehrgang <strong>und</strong> kam zurück <strong>und</strong><br />

sagte: ‚Du könntest das <strong>und</strong> das <strong>und</strong> das Hilfsmittel haben‘. Ich sage: ‚Hör auf! Ich kann’s nicht<br />

mehr hören Punkt. Aus. Feierabend‘. Ich will nichts mehr von der Hauptfürsorgestelle. Die reden<br />

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