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FC287a, Kleinwüchsige Menschen in Ausbildung und Beruf Teil

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„Die meisten Leute denken, wir s<strong>in</strong>d kle<strong>in</strong> <strong>und</strong> doof“.<br />

Und Mike Kretschmar ?<br />

„Beh<strong>in</strong>dert b<strong>in</strong> ich eigentlich nicht, beh<strong>in</strong>dern tun mich die Großen. Ich akzeptiere die Großen <strong>und</strong><br />

die Großen sollen mich auch akzeptieren. Dass die manchmal unsicher s<strong>in</strong>d, gestehe ich ihnen ja<br />

zu, sie wissen ja oft nicht, wie sie uns behandeln sollen. Aber trotzdem sollen sie uns akzeptieren“.<br />

In e<strong>in</strong>em Umfeld, das <strong>in</strong> den zentralen Bereichen beruflicher <strong>und</strong> sozialer Identität als abweisend<br />

oder gar fe<strong>in</strong>dlich wahrgenommen wird, hat man die Wahl zu kämpfen, sich anzupassen oder zu<br />

resignieren. Betrachtet man Mike <strong>und</strong> Iris Kretschmars Biographie, s<strong>in</strong>d sie e<strong>in</strong>deutig zu eher<br />

wehrhaften <strong>Menschen</strong> geworden. Sie geben sich gegenseitig Halt <strong>und</strong> Unterstützung <strong>und</strong> können so<br />

sehr geschlossen nach außen agieren. Und der Motor ihrer Vehemenz <strong>und</strong> ihrer Energie ist das Bedürfnis,<br />

so wahrgenommen zu werden wie sie sich selbst erleben: e<strong>in</strong> paar Zentimeter kle<strong>in</strong>er, na<br />

<strong>und</strong>?<br />

Alfred Hegeler, Berl<strong>in</strong><br />

Würde<br />

Viele <strong>Menschen</strong> verb<strong>in</strong>den immer noch Kle<strong>in</strong>wuchs mit K<strong>in</strong>dheitser<strong>in</strong>nerungen. Da sah man sie<br />

dann <strong>in</strong> der Manege, die Liliputaner, als Artisten, Clowns <strong>und</strong> „dummer August“. Sie turnten auf<br />

dem Hochseil <strong>und</strong> machten ihre Späße <strong>und</strong> man sah ihnen zu mit e<strong>in</strong>er Mischung aus Fasz<strong>in</strong>ation<br />

<strong>und</strong> Unbehagen. Man lachte, aber es lag dar<strong>in</strong> etwas Gezwungenes. War e<strong>in</strong>em doch zugeraunt<br />

worden, dass „diese <strong>Menschen</strong>“ eigentlich e<strong>in</strong> ganz trauriges Leben führten <strong>und</strong> das Lachen nur<br />

aufs Gesicht gemalt war. Höchstens zwei St<strong>und</strong>en haltbar. Und dann trifft man e<strong>in</strong>en von „diesen<br />

<strong>Menschen</strong>“, schaut sozusagen h<strong>in</strong>ter die grelle Schm<strong>in</strong>ke <strong>und</strong> plötzlich wird aus dem Liliputanerclown<br />

der K<strong>in</strong>dheit e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>wüchsiger Künstler, dessen Leben im Zirkus mehr war als e<strong>in</strong>e Attraktion<br />

für die Nachmittagsvorstellung zu se<strong>in</strong>.<br />

Alfred Hegeler ist 112 cm groß. Fast 40 Jahre lang war er Zirkusclown, se<strong>in</strong> ganzes Arbeitsleben<br />

hat er im Zirkus verbracht, nie etwas anderes getan. Er ist viel herumgekommen <strong>in</strong> der Welt, der<br />

Zirkus war se<strong>in</strong> Leben. Er zeigt se<strong>in</strong>e Fotos, e<strong>in</strong>en ganzen Karton voll. Er<strong>in</strong>nerungen an gute Zeiten,<br />

an Abenteuer <strong>und</strong> Freiheit, der Zirkus <strong>in</strong> Ch<strong>in</strong>a, <strong>in</strong> der Sowjetunion, <strong>in</strong> Bulgarien, <strong>in</strong> Ungarn. Alfred<br />

Hegeler im Kreis der Messerwerfer <strong>und</strong> Dompteure, mit dem Zauberer <strong>und</strong> der zersägten Jungfrau,<br />

bei der Ponydressur <strong>und</strong> umgeben von begeisterten Zuschauern. Privilegiert hat er sich gefühlt,<br />

nicht diskrim<strong>in</strong>iert.<br />

1932 wird er im damalig deutschen Westpreußen, heutigen Polen geboren. Die Eltern s<strong>in</strong>d Bauern,<br />

warum ihr K<strong>in</strong>d nicht wächst, weiß niemand. Man arrangiert sich halt damit. E<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>er Hof, die<br />

K<strong>in</strong>der müssen mitarbeiten. Der Krieg beg<strong>in</strong>nt, der ältere Bruder wird e<strong>in</strong>gezogen <strong>und</strong> fällt achtzehnjährig<br />

als Soldat. Im letzten Kriegsjahr,<br />

„die Front rückte näher, immer näher“<br />

fliehen die Hegelers, auf e<strong>in</strong>em Leiterwagen mit Pferdegespann, mitten im W<strong>in</strong>ter. Panik vor den<br />

näherkommenden russischen Truppen. Die Familie kommt bis Wismar, da s<strong>in</strong>d die Amerikaner.<br />

Der Versuch <strong>in</strong> die Heimat zurückzukehren, scheitert, denn an der Neiße,<br />

„da machte der Pole vor unserer Nase die Grenze zu, wir waren 30 km von zu Hause <strong>und</strong> konnten<br />

nicht mehr h<strong>in</strong>“.<br />

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