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FC287a, Kleinwüchsige Menschen in Ausbildung und Beruf Teil

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Die Wende erleben Jörg <strong>und</strong> Marietta Alberts beide als Jugendliche, wie fast alle zunächst mit viel<br />

Ungewissheit <strong>und</strong> auch Angst. Jörg Alberts er<strong>in</strong>nert sich an die Demonstrationen.<br />

„Wir wurden ja damals gewarnt, daran teilzunehmen. Ke<strong>in</strong>er wusste, was daraus wird. Da war ja<br />

richtig Bereitschaftspolizei <strong>und</strong> Stasi da, <strong>in</strong> erhöhter Alarmbereitschaft. Es hätte ja genauso kommen<br />

können wie <strong>in</strong> Ch<strong>in</strong>a auf dem Platz des Himmlischen Friedens“.<br />

Und Marietta Alberts erzählt lakonisch von ihrer Skepsis <strong>und</strong> ihrer Desillusionierung im Goldenen<br />

Westen, e<strong>in</strong> Freudentaumel hat sie nicht ergriffen.<br />

„Me<strong>in</strong>e Eltern hatten mir strikt verboten, <strong>in</strong> die Stadt zu gehen. E<strong>in</strong>en Monat später wurde dann die<br />

Grenze aufgemacht, das habe ich im Fernsehen geguckt. Ich wusste nicht so richtig. Gefreut habe<br />

ich mich e<strong>in</strong> bisschen, aber ich wssßte auch nicht, was davon zu halten ist. E<strong>in</strong>en Monat später s<strong>in</strong>d<br />

wir nach Berl<strong>in</strong> gefahren, nicht direkt mit dem ersten Ansturm. Wir s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>fach mal los. Wir hatten<br />

nur ganz weitläufige Kontakte <strong>in</strong> den Westen. Beim ersten Mal <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> habe ich mich über D<strong>in</strong>ge<br />

gew<strong>und</strong>ert wie geschälte Kartoffeln im Glas, da dachte ich: ‚Was soll das denn?’ Manche D<strong>in</strong>ge<br />

fand ich seltsam. Es war auch Stress, dah<strong>in</strong> zu fahren. Stau. Alles voll. Es war auch dreckig <strong>und</strong><br />

schmutzig <strong>und</strong> ich dachte, na ja, eigentlich hat man so die Vorstellung gehabt, dass es sauber ist<br />

<strong>und</strong> hell, das war’s aber nicht <strong>und</strong> da dachte ich: ‘Na gut, jetzt hast du’s mal gesehen <strong>und</strong> das<br />

war’s‘. Und wieder zurück“.<br />

Jörg Alberts bleibt deutlich die Lebendigkeit dieser Zeit <strong>in</strong> Er<strong>in</strong>nerung, die Diskussionen darüber,<br />

wie man sich die Zukunft des neuen Staates vorstellt, ob man mitmacht beim Aufbau, ob man geht<br />

<strong>und</strong> wie man sich politisch positioniert.<br />

„Die Zeit war sehr euphorisch für mich, weil erstens habe ich me<strong>in</strong>e eigene Wohnung bekommen,<br />

weil die Leute <strong>in</strong> den Westen gegangen s<strong>in</strong>d. Und man hat sich auch viel ause<strong>in</strong>andergesetzt <strong>in</strong> der<br />

Zeit, weil man die Entwicklung beobachtet hat, wie die Leute über die österreichische Grenze gegangen<br />

s<strong>in</strong>d <strong>und</strong> dann manchmal so Hals über Kopf. Ich habe die Leute zwar manchmal auch nicht<br />

verstanden, warum sie hier alles stehen <strong>und</strong> liegen lassen, e<strong>in</strong>fach so e<strong>in</strong>en Schnitt gemacht haben<br />

<strong>und</strong> gesagt haben: ‚Nee, ich muss <strong>in</strong> den Westen, so kann ich nicht mehr leben‘. Klar, bei uns gab’s<br />

gewisse E<strong>in</strong>schränkungen <strong>und</strong> man konnte sich manchmal nicht so frei entfalten wie man wollte.<br />

Aber von den Gr<strong>und</strong>bedürfnissen war ja eigentlich alles soweit gegeben“.<br />

Letztendlich fühlt er sich von der Wende überrollt, es geht ihm alles viel zu schnell.<br />

„Und wir wollten ja eigentlich auch, dass sich da was verändert. Wir hatten erst die Gedanken,<br />

dass e<strong>in</strong>e Änderung <strong>in</strong> dem Staat sich tut <strong>und</strong> dann 5 oder 10 Jahre später hätte man sagen können:<br />

‚Okay, jetzt machen wir die Grenze auf‘. Aber es g<strong>in</strong>g dann so schnell <strong>und</strong> kam bestimmt für<br />

viele überraschend. Krenz <strong>und</strong> Schabowski haben da irgendwas falsch <strong>in</strong>terpretiert, irgende<strong>in</strong><br />

Missverständnis <strong>und</strong> dann war die Grenze doch schnell auf“.<br />

Was verändert sich für beide im positiven S<strong>in</strong>n? Helmut Kohls „blühenden Landschaften“ steht<br />

Jörg Alberts von Beg<strong>in</strong>n an kritisch gegenüber, doch gerade im Beh<strong>in</strong>dertenbereich hat der Systemwechsel<br />

ihm Vorteile gebracht, die er sehr schätzt, <strong>in</strong>sbesondere im Bereich Mobilität.<br />

„Man muss aber auch sagen, es hat sich auch vieles positiv verändert. Zum Positiven, dass man<br />

nun endlich Auto fahren kann, ich zum<strong>in</strong>dest. Das war ja damals e<strong>in</strong> Problem, man musste sich<br />

schon <strong>in</strong> den K<strong>in</strong>derschuhen dafür anmelden, damit man mit 18 irgendwann se<strong>in</strong>en Trabi hatte <strong>und</strong><br />

für Beh<strong>in</strong>derte war‘s sowieso e<strong>in</strong> Problem. Weil dann gab’s ja höchstens dieses Moped auf drei<br />

Rädern, e<strong>in</strong> Versehrtenfahrzeug haben sie das genannt, eigentlich e<strong>in</strong> ganz eigentümliches <strong>Teil</strong> mit<br />

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