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FC287a, Kleinwüchsige Menschen in Ausbildung und Beruf Teil

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„Eigentlich wollte ich Friseur<strong>in</strong> werden, aber das hat größenmäßig nicht h<strong>in</strong>gehauen. Dann wollte<br />

ich <strong>in</strong> die K<strong>in</strong>derkrippe, das hat auch nicht h<strong>in</strong>gehauen. Dann blieb noch Schneider<strong>in</strong>, Schreibmasch<strong>in</strong>entechniker<strong>in</strong><br />

oder Industriekauffrau <strong>und</strong> da habe ich das genommen. Da war nicht viel Auswahl“.<br />

Sie entscheidet sich für die <strong>Ausbildung</strong> zur Industriekauffrau. Unmittelbar nach der Lehre wird Iris<br />

Kretschmar schwanger <strong>und</strong> legt nach der Geburt e<strong>in</strong> Babyjahr e<strong>in</strong>. In ihrem <strong>Ausbildung</strong>sberuf Industriekauffrau<br />

arbeitet sie nie. Denn ihre Rückkehr <strong>in</strong>s <strong>Beruf</strong>sleben f<strong>in</strong>det ungefähr zeitgleich mit<br />

der Wende statt, es gibt ke<strong>in</strong>e Jobgarantien mehr, Planstellen werden abgebaut <strong>und</strong> für sie, ohne<br />

jegliche <strong>Beruf</strong>serfahrung, bleibt nur noch die eigentlich unterqualifizierte Arbeit als Schreibkraft.<br />

Weder ihr erlernter noch ihr ausgeübter <strong>Beruf</strong> machen ihr Spaß. Ihre ges<strong>und</strong>heitlichen Probleme<br />

nehmen zu, nach zwei weiteren Schwangerschaften stellt sie 1995 e<strong>in</strong>en Rentenantrag <strong>und</strong> ist seitdem<br />

„glückliche Hausfrau <strong>und</strong> Mutter“.<br />

Mike Kretschmar besucht zehn Jahre lang die Regelschule. Er ist e<strong>in</strong> E<strong>in</strong>ser-Schüler, se<strong>in</strong>e Eltern<br />

drängen auf e<strong>in</strong> Studium. Er jedoch will lieber etwas Handwerkliches machen. Unter mehreren Optionen<br />

entscheidet er sich für Elektromasch<strong>in</strong>enbauer. Se<strong>in</strong>e <strong>Ausbildung</strong> absolviert er <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Rehazentrum,<br />

fühlt sich jedoch dadurch <strong>in</strong>s ke<strong>in</strong>ster Weise stigmatisiert, denn zum ersten Mal hat er<br />

ke<strong>in</strong>e Sonderrolle <strong>in</strong>ne, unter der er <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Schulzeit immer gelitten hat. Das Rehazentrum wird<br />

für ihn zu e<strong>in</strong>em postpubertären Eldorado, worunter se<strong>in</strong>e beruflichen Leistungen zwangsläufig<br />

leiden müssen.<br />

„Ich habe im Rehazentrum für Körperbeh<strong>in</strong>derte gelernt. Das hat mir sehr viel Spaß gemacht. Ich<br />

war ja von der ersten bis zehnten Klasse <strong>in</strong> die sogenannte Normalschule gegangen. Da war ich als<br />

e<strong>in</strong>ziger e<strong>in</strong> Sonderl<strong>in</strong>g. Mir war da immer klar, ich war anders als andere <strong>und</strong> Pubertät <strong>und</strong> dieses<br />

<strong>und</strong> jenes sowieso. Und das fand ich das Schöne am Rehazentrum. Und am ersten Tag da begann<br />

me<strong>in</strong>e Pubertät erst, dass ich die auskosten konnte. Da habe ich gemerkt, dass es auch Mädchen<br />

gibt, die sich für mich <strong>in</strong>teressieren. Das habe ich dann mehr schlecht als recht abgeschlossen,<br />

mit 3, ich hätte das besser abschließen können. Aber ich hatte halt andere Sachen im Kopf, die ich<br />

nachholen wollte“.<br />

Er arbeitet e<strong>in</strong>ige Jahre <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em <strong>Beruf</strong>, arbeitet gern <strong>und</strong> viel, doch dann kommt die Wende <strong>und</strong><br />

für Mike Kretschmar das berufliche Aus.<br />

„Dann kam unglücklicherweise die Wende <strong>und</strong> da war ich der erste, der gekündigt wurde. Im<br />

Nachh<strong>in</strong>e<strong>in</strong> muss ich dazu sagen, dass ich – aber ich war da unwissend – nie hätte gekündigt werden<br />

dürfen, aufgr<strong>und</strong> von me<strong>in</strong>em Schwerbeh<strong>in</strong>dertenausweis. Den hatte ich nämlich auch. Aber ich<br />

wurde gekündigt <strong>und</strong> ehe mir das bewusst wurde, war ich <strong>in</strong> der Arbeitslosigkeit dr<strong>in</strong> <strong>und</strong> konnte<br />

auch nicht mehr groß dagegen angehen, weil die Firma selbst kaputtgegangen ist oder geschlossen<br />

wurde. Gegen wen sollte ich da klagen? So war ich <strong>in</strong> der Arbeitslosigkeit“.<br />

Es folgt e<strong>in</strong>e für viele DDR-Bürger typische Maßnahmenkarriere: Arbeitslosigkeit, diverse ABM-<br />

Stellen, die die Massenarbeitslosigkeit mehr schlecht als recht kaschieren, nach Beendigung der<br />

Maßnahme wieder Arbeitslosigkeit. Mike Kretschmar hat mehrere Jobs, die ihn bis an die Grenze<br />

se<strong>in</strong>er körperlichen Leistungsfähigkeit br<strong>in</strong>gen. Aber er ist der Typus Malocher, der sich so schnell<br />

nicht unterkriegen lässt.<br />

„Da habe ich – <strong>und</strong> me<strong>in</strong>e Krankheit gar nicht berücksichtigt – alles gemacht, von PKW fahren bis<br />

sonst was, also eigentlich körperlich schwere Arbeit. Im Nachh<strong>in</strong>e<strong>in</strong> weiß ich, dass das körperlich<br />

zu viel war. Ich wollte auch mithalten, habe da auch mitgehalten. Ich denke, ich habe das auch gut<br />

gemacht, ich war auch nie krank“.<br />

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