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FC287a, Kleinwüchsige Menschen in Ausbildung und Beruf Teil

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12. Neue B<strong>und</strong>esländer – vor <strong>und</strong> nach der Wende<br />

Mit der Wiedervere<strong>in</strong>igung der beiden deutschen Staaten fand <strong>in</strong> den neuen B<strong>und</strong>esländern e<strong>in</strong><br />

Umbruch statt, der die sozialen, politischen <strong>und</strong> ökonomischen Lebensverhältnisse <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em für<br />

Westdeutsche kaum vorstellbaren Maß veränderten.<br />

Im Rahmen dieser Studie s<strong>in</strong>d den neuen B<strong>und</strong>esländern zwei eigenständige Bereiche vorbehalten:<br />

zum e<strong>in</strong>en e<strong>in</strong> eigenständiger Fragebogenteil „Neue B<strong>und</strong>esländer“ zum andern persönliche Interviews<br />

(s. Kap. 14). Handlungsleitend für die Konzeption des Fragebogens <strong>und</strong> den Leitfaden des<br />

Interviews waren – geprägt von Neugier <strong>und</strong> Interesse an e<strong>in</strong>er kle<strong>in</strong>wuchsbezogenen ‚Terra <strong>in</strong>cognita‘<br />

folgende Fragestellungen:<br />

- Wie war der schulische <strong>und</strong> berufliche Werdegang mit besonderem Fokus auf Normal- vs. Körperbeh<strong>in</strong>dertenschule?<br />

- Wie erfolgte die berufliche Weichenstellung?<br />

- Wie unterschied sich die Nutzung von Hilfsmitteln von der im Westen?<br />

- Wie reflektieren die Befragten heute rückblickend den sozialen Umbruch, welche Erwartungen<br />

<strong>und</strong> Befürchtungen gab es vor <strong>und</strong> nach der Wende, welche Wünsche wurden erfüllt oder enttäuscht?<br />

- Wo gibt es Kont<strong>in</strong>uitäten <strong>und</strong> Diskont<strong>in</strong>uitäten im Lebensverlauf?<br />

- Welche Brüche <strong>und</strong> Wandlungen prägen die Erwerbsbiographie?<br />

12.1 Schule, <strong>Ausbildung</strong>, <strong>Beruf</strong>swahl<br />

Das „Gesetz über das e<strong>in</strong>heitliche sozialistische Bildungssystem“ galt ab 1965 bis zur Wende <strong>und</strong><br />

bezog auch Schüler von Sonderschulen für Körperbeh<strong>in</strong>derte e<strong>in</strong>. Sonderschulen waren E<strong>in</strong>richtungen<br />

der Volksbildung, die als Tages- oder Internatsschule K<strong>in</strong>der mit körperlichen Beh<strong>in</strong>derungen<br />

aufnahm, mit dem gleichen Bildungsanspruch wie Regelschulen. Da die Entscheidung über den<br />

Verbleib dem Staat oblag, musste die Mitsprache der Eltern nicht berücksichtigt werden. Im S<strong>in</strong>ne<br />

der E<strong>in</strong>heitlichkeit war <strong>in</strong> den Körperbeh<strong>in</strong>dertenschulen die zehnklassige, polytechnische Oberschule<br />

Pflicht. So entstand die allgeme<strong>in</strong>bildende, polytechnische Oberschule für Körperbeh<strong>in</strong>derte<br />

als Bestandteil des allgeme<strong>in</strong>en Schulwesens. Da die POS für Körperbeh<strong>in</strong>derte e<strong>in</strong>e systematische<br />

Oberschulbildung <strong>in</strong> allen Unterrichtsfächern auf dem Anforderungsniveau e<strong>in</strong>er regulären polytechnischen<br />

Oberschule gewährleistete, führt auch sie zum Oberschulabschluss (Realschulabschluss).<br />

Der Aufgabenbereich der Sonderschulen wurde auch auf Erwachsene mit Beh<strong>in</strong>derungen<br />

<strong>in</strong> Form der beruflichen Rehabilitation ausgedehnt.<br />

Körperbeh<strong>in</strong>derung wurde def<strong>in</strong>iert als „durch e<strong>in</strong>en biologischen Mangel bed<strong>in</strong>gte wesentliche<br />

Bee<strong>in</strong>trächtigung altersentsprechender <strong>und</strong> milieugerechter Bewegungsleistungen“ (Berndt <strong>in</strong>: Ränke<br />

2001). Konnte das K<strong>in</strong>d se<strong>in</strong>e körperlichen Bee<strong>in</strong>trächtigungen soweit kompensieren, dass e<strong>in</strong>e<br />

altersgerechte Selbständigkeit <strong>in</strong> der Schule <strong>und</strong> im Alltag erreicht <strong>und</strong> es den Anforderungen der<br />

örtlichen Schule gerecht wurde, konnte von e<strong>in</strong>er Überweisung <strong>in</strong> die Körperbeh<strong>in</strong>dertenschule abgesehen<br />

werden. E<strong>in</strong>e spätere „Umschulung“ von der Regelschule <strong>in</strong> die Sonderschule wurde dann<br />

<strong>in</strong> Erwägung gezogen, wenn bei e<strong>in</strong>em K<strong>in</strong>d die Beh<strong>in</strong>derung als Gr<strong>und</strong> für e<strong>in</strong>en nachlassenden<br />

oder schlechten Leistungsstand bzw. für nachteilige Auswirkungen auf se<strong>in</strong> soziales Verhalten gesehen<br />

werden konnte <strong>und</strong> e<strong>in</strong>e örtliche Schule nicht fähig war, diese Bee<strong>in</strong>trächtigungen durch die<br />

vorhandenen Schulbed<strong>in</strong>gungen zu kompensieren. Wesentlich für die Entscheidung, ob e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d<br />

oder Jugendlicher <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Sonderschule für Körperbeh<strong>in</strong>derte unterrichtet werden sollte, war also<br />

die Ausprägung se<strong>in</strong>er Fähigkeit, sich auf die körperliche Bee<strong>in</strong>trächtigung e<strong>in</strong>zustellen <strong>und</strong> die Art,<br />

wie es psychisch auf die Auswirkung se<strong>in</strong>er Beh<strong>in</strong>derung reagierte. Beh<strong>in</strong>dertenpädagogik sollte<br />

<strong>in</strong>tegrativer Bestandteil der gesamten pädagogischen Förderung se<strong>in</strong>. K<strong>in</strong>der mit Beh<strong>in</strong>derungen<br />

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