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FC287a, Kleinwüchsige Menschen in Ausbildung und Beruf Teil

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Marietta <strong>und</strong> Jörg Alberts, Dresden<br />

Ungewissheit<br />

Marietta <strong>und</strong> Jörg Alberts, seit 5 Jahren verheiratet, leben <strong>in</strong> Dresden. Marietta Alberts, 29 Jahre alt,<br />

1,38 m, Diagnose Intrauter<strong>in</strong>er Kle<strong>in</strong>wuchs, ist derzeit arbeitslos. Jörg Alberts, ebenfalls 29 Jahre<br />

alt, 1,36 m, Diagnose Hypochondroplasie, arbeitet als Computertechniker.<br />

Marietta Alberts besucht die zehnjährige Regelschule/POS. Vom <strong>Beruf</strong>sberatungszentrum wird ihr<br />

von ihrem Wunschberuf – Pharmazeutisch-Technische Assistent<strong>in</strong> – abgeraten, stattdessen wird ihr<br />

e<strong>in</strong>e <strong>Ausbildung</strong> zur Wirtschaftskauffrau empfohlen. Sorge um e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>stellung hat sie nicht.<br />

„Ende der 7. oder 8. Klasse wurden die <strong>Beruf</strong>swunschbögen ausgeteilt. Damit ist man zur <strong>Beruf</strong>sberatung<br />

gegangen. Die <strong>Ausbildung</strong>sbetriebe, die Rehabilitanden nahmen, standen fest. Und auf<br />

jeden Fall wurde man genommen, auch ohne Vorstellungsgespräch“.<br />

Zwischen der Wende <strong>und</strong> dem Zeitpunkt des Interviews liegen diverse Aus- <strong>und</strong> Weiterbildungen<br />

sowie Jobs, immer wieder unterbrochen von Zeiten der Arbeitslosigkeit. Derzeit hat sie den merkwürdigen<br />

Status der „<strong>Teil</strong>arbeitslosigkeit“, d.h. sie hat im Rahmen e<strong>in</strong>es Beschäftigungsprojektes<br />

Telearbeit <strong>in</strong> drei Firmen gleichzeitig gearbeitet, von denen zwei sie entlassen haben. Die Gründe,<br />

sie für Telearbeit e<strong>in</strong>zusetzen, s<strong>in</strong>d ihr ohneh<strong>in</strong> suspekt.<br />

„Die dachten, dass für Telearbeit Beh<strong>in</strong>derte prädest<strong>in</strong>iert se<strong>in</strong> könnten, die nicht aus dem Haus<br />

können oder wollen oder die sich nicht so <strong>in</strong> der Öffentlichkeit zeigen wollen. Ich habe aber gesagt:‘Wenn,<br />

dann möchte ich <strong>in</strong> die Unternehmen re<strong>in</strong>gehen <strong>und</strong> möchte nicht von zu Hause aus<br />

arbeiten“.<br />

Sie sucht <strong>in</strong>tensiv nach e<strong>in</strong>er anderen Stelle, da ihr die Konditionen der jetzigen weder formal noch<br />

<strong>in</strong>haltlich zusagen.<br />

Jörg Alberts‘ schulischer <strong>und</strong> beruflicher Werdegang ist stärker von kle<strong>in</strong>wuchsbed<strong>in</strong>gten H<strong>in</strong>dernissen<br />

bestimmt als der se<strong>in</strong>er Frau. Denn schon die E<strong>in</strong>schulung <strong>in</strong> die Regelschule gestaltet sich<br />

als Kampf mit Behörden, die da glauben, jemand wie er gehöre eigentlich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Beh<strong>in</strong>dertenschule.<br />

„Das war allerd<strong>in</strong>gs schon e<strong>in</strong> Problem. Und da hat man uns gesagt, ich müsste eigentlich <strong>in</strong> die<br />

Beh<strong>in</strong>dertenschule gehen. Me<strong>in</strong>e Eltern haben das nicht e<strong>in</strong>gesehen, die Regelschule war auch nur<br />

2 M<strong>in</strong>uten von unserem Haus. Es wurde auch nichts festgestellt, dass ich irgendwie e<strong>in</strong> bisschen<br />

m<strong>in</strong>derbemittelt wäre oder anders gehandicapt wäre. Ich war ja immer mit me<strong>in</strong>en Kumpels zusammen<br />

<strong>und</strong> wir s<strong>in</strong>d zusammen rumgerannt. Da haben me<strong>in</strong>e Eltern gekämpft, dass ich <strong>in</strong> die<br />

normale Schule gehe <strong>und</strong> das hat auch funktioniert. Ich habe dann dort nach 10 Jahren me<strong>in</strong>en<br />

Realschulabschluss gemacht“.<br />

Die <strong>in</strong> der DDR übliche „<strong>Beruf</strong>slenkung“ mit nur wenigen Optionen empf<strong>in</strong>det er als E<strong>in</strong>schränkung<br />

se<strong>in</strong>er persönlichen Freiheit. Wieder treten se<strong>in</strong>e Eltern auf den Plan, um ihn zu unterstützen.<br />

„Ab der 8. Klasse wurde man damals berufsgelenkt <strong>und</strong> dann g<strong>in</strong>g’s schon wieder los, dass man<br />

gewisse Vorstellungen von den andern aufgedrückt bekam. Bei mir hatten sie sich vorgestellt, ich<br />

könnte doch Elektromechaniker werden <strong>und</strong> eigentlich hatte ich ganz andere Wünsche. Eigentlich<br />

wollte ich was werden wie Tierpfleger oder Facharbeiter für Masch<strong>in</strong>en- <strong>und</strong> Anlagenbau. Bei der<br />

<strong>Beruf</strong>slenkung hieß es aber: ‚Sie werden Elektromechaniker!‘ Und so g<strong>in</strong>g ke<strong>in</strong> Weg daran vorbei.<br />

Ich weiß noch, me<strong>in</strong> Vater war mit <strong>und</strong> hat mich unterstützt wegen der <strong>Beruf</strong>e, die ich mir so vorgestellt<br />

hatte. Die haben aber eben nur für die e<strong>in</strong>e Richtung plädiert. Ich habe von anderen Beh<strong>in</strong>derten<br />

erfahren, dass die auch Elektromechaniker werden sollten <strong>und</strong> die Mädchen Wirtschafts-<br />

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