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Download der ganzen Chronik - Gemeinde Heyen

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<strong>Chronik</strong> <strong>Heyen</strong><br />

Immer mehr Bauern entzogen sich <strong>der</strong> vollständigen Ablieferungspflicht. Nur über Kompensation<br />

kamen sie an die notwendigen Betriebsmittel heran.<br />

Die Einwohnerzahl unseres Dorfes hatte sich durch Vertriebene aus den ehemaligen deutschen<br />

Ostgebieten und Heimkehrer aus <strong>der</strong> Gefangenschaft fast verdoppelt. Der aus dem Osten<br />

kommende Nachbar Rösler bekam Arbeit im Steinbruch. Der Lehrer Kupfer arbeitete einige Jahre<br />

auf dem Bauernhof Feuerhake, bis er in den Schuldienst übernommen wurde. Mit <strong>der</strong> Zeit konnten<br />

viele in den erlernten Beruf zurückkehren. Noch nie zuvor gab es soviel junge Leute in den<br />

Dörfern. Im Nachbardorf Esperde waren jeden Sonnabend Abend abwechselnd in den Sälen<br />

zweier Gastwirtschaften Tanzveranstaltungen.<br />

Bis zu Beginn des Krieges gab es noch Klassengesellschaften in den Dörfern. Bei den<br />

Schützenfesten saßen die Bauern <strong>der</strong> Meierhöfe an einem Tisch, an einem an<strong>der</strong>en die<br />

Großkötner und Kötner. Die Brinksitzer waren ebenfalls unter sich. Entsprechend wurde auch in<br />

vielen Fällen geheiratet. Erst durch die Kriegsheimkehrer und beson<strong>der</strong>s durch die<br />

Heimatvertriebenen aus den Ostgebieten, die in landwirtschaftliche Betriebe einheirateten und sich<br />

mit <strong>der</strong> einheimischen Bevölkerung vermischten, verschwand weitgehend <strong>der</strong> Standesdünkel.<br />

Der aus dem Osten kommende alte Herr Pollak fragte 1946 die Eheleute Wiemann, was er<br />

machen solle. Sein Vermieter habe „schwarzgeschlachtet“, er müsse ihn doch anzeigen. Meine<br />

Eltern antworteten ihm, er solle sehen, dass er etwas abbekomme. In <strong>Heyen</strong> wurde während des<br />

<strong>ganzen</strong> Krieges niemand angezeigt.<br />

Selbstversorger mit Fleisch und Wurst mussten ein ganzes Jahr mit dem hausgeschlachteten<br />

Schwein auskommen. Daher wurde viel Dosenwurst hergestellt, Schinken und Speck mit Salz<br />

gepökelt und dann geräuchert. Damit sich die Mettwürste lange hielten, konnte nur in den<br />

Wintermonaten bei kalter Witterung hausgeschlachtet werden. Die Hausschlachter standen auch<br />

nur im Winter zur Verfügung, in <strong>der</strong> übrigen Zeit waren sie Maurer o<strong>der</strong> Steinbrucharbeiter.<br />

Ein Schwein sollte zwei Tage vor dem Wiegen kein Futter bekommen. Trotzdem war es nicht<br />

nüchtern, wenn es Einstreu (Stroh) fraß. Wie problematisch die Gewichtsfeststellung bei lebenden<br />

Tieren war, zeigt folgende Geschichte:<br />

Hermann Wiemann hatte ein Schwein auf die Viehwaage gebracht, wo es amtlich gewogen<br />

werden sollte. Als er feststellte, dass es für die Fleischzuteilung etwas zu schwer war, legte er<br />

schnell ein paar kleine Steine hinter die Gewichte <strong>der</strong> Dezimalwaage. Der alte Stellmacher Möller<br />

bescheinigte als amtlicher Vertrauensmann das Gewicht und bemerkte beim Weggehen: "Mit den<br />

nötigen Steinen kommt es ja hin“. Er hatte also den Schwindel nicht übersehen. Wenige Stunden<br />

später war das Schwein geschlachtet. "Wenn das Schwein am Haken hängt, wird <strong>der</strong> erste<br />

eingeschenkt“. Inzwischen war auch <strong>der</strong> Fleischbeschauer Wilhelm Waßmann dazugekommen.<br />

Gesprächsthema waren die Steine, mit denen Herr Wiemann die Waage manipuliert hatte. "Wir<br />

wollen doch mal den Kot aus den Därmen gegen die Steine aufwiegen", meinte jemand. Dabei<br />

stellte sich heraus, dass die Steine nicht einmal für das Wiegen des Kotes ausreichten.<br />

Alle einheimischen Einwohner, ob Steinbruch-, Land- o<strong>der</strong> Werftarbeiter, bewirtschafteten einige<br />

Morgen eigenes Land o<strong>der</strong> Pachtland <strong>der</strong> Kirche. Sie ließen das Ackerland von Bauern bestellen<br />

und das Getreide in <strong>der</strong> Ernte mit einer Lohndreschmaschine dreschen. Als Gegenleistung halfen<br />

sie in den Arbeitsspitzen auf den Höfen.<br />

Die Erträge dieses Nebenerwerbs reichten für die Selbstversorgung mit Kartoffeln, Brotgetreide<br />

und Futter für die Haustiere aus. Weizen musste grundsätzlich abgeliefert werden. Einen Rest<br />

behielt je<strong>der</strong> Weizenbauer zurück. Bei den Mühlen in den Nachbardörfern konnten kleine Mengen<br />

gegen Mehl getauscht werden. Das ging viele Jahre gut, bis ein Müller angezeigt und bestraft<br />

wurde.<br />

Für die amtlich festgesetzte jährliche Versorgungsmenge Roggenbrot konnte <strong>der</strong> Selbstversorger<br />

die dafür erfor<strong>der</strong>lichen Kilogramm Roggen über den Getreidehändler an eine Mühle liefern. Die<br />

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