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Download der ganzen Chronik - Gemeinde Heyen

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<strong>Chronik</strong> <strong>Heyen</strong><br />

Selbstversorger legten in den Läden <strong>der</strong> hiesigen Bäckereien Anschreibebücher vor, in denen die<br />

Anzahl <strong>der</strong> abgeholten Brote, gegen eine geringe Backgebühr, registriert wurden.<br />

Fast alle Leute hielten Hühner. Anstelle <strong>der</strong> fehlenden Wärmelampen nutzte man Pferdemist für<br />

die Aufzucht <strong>der</strong> Küken. An die hölzernen kleinen Kükenhäuser wurden mit Blech abgedichtete<br />

Holzkisten angebaut und mit frischem Pferdemist bepackt. Die bei <strong>der</strong> Verrottung entstehende<br />

Wärme heizte das Kükenhaus. Manche Städter holten Kuhmist von den Bauern, um damit<br />

Tomaten, Kohl und an<strong>der</strong>e Pflanzen zu düngen. Meine Frau erlebte damals auf einer Schulfahrt,<br />

wie sich im Gepäcknetz des Busses ein Deckel von einem Eimer mit Mist löste und <strong>der</strong> Inhalt die<br />

Fahrgäste beschmutzte.<br />

In dieser Zeit versuchte je<strong>der</strong> so gut es eben ging über die Runden zu kommen, vor allem für das<br />

tägliche Brot zu sorgen. Die Bauern mussten in den Nachkriegsjahren einen gewissen Schwund<br />

hinnehmen. Damals wurde das Wort "stehlen" durch das Wort "organisieren" ersetzt. Die<br />

Landwirte konnten nachts nur selten die Feldfrüchte bewachen. Einige Verbraucher fuhren nachts<br />

mit Fahrrä<strong>der</strong>n auf die Fel<strong>der</strong>, breiteten neben einer Raps- o<strong>der</strong> Getreidestiege ein Laken aus,<br />

stellten ein Fahrrad umgedreht auf Sattel und Lenkstange und betätigten das Pedal mit <strong>der</strong> Hand.<br />

Wenn dann ein Raps- o<strong>der</strong> Getreidebund mit den Schoten bzw. Ähren an die Speichen des sich<br />

drehenden Hinterrades gehalten wurde, fielen die reifen Körner auf das Laken. Das Getreide<br />

wurde notfalls in <strong>der</strong> Kaffeemühle gemahlen o<strong>der</strong> das Rapsöl mit umgebauten Wurstmaschinen<br />

aus den Samen gepresst.<br />

Kartoffeln wurden mit dem Kartoffelro<strong>der</strong> ausgeschleu<strong>der</strong>t, in Körbe aufgesammelt und dann auf<br />

die in Abständen neben den Kartoffelreihen stehenden Wagen o<strong>der</strong> in Säcke geschüttet. Manche<br />

Verbraucher gingen auf den abgeernteten Kartoffelfel<strong>der</strong>n stoppeln, d.h. sie suchten liegen<br />

gebliebene Kartoffeln. Ich sah dabei eine Frau, die mit einem Handwagen vier bis fünf Säcke mit<br />

Kartoffeln speziell von <strong>der</strong> Stelle des Ackers holte, an <strong>der</strong> sie bei <strong>der</strong> Ernte aufgelesen hatte.<br />

Der Bauer H. hatte einige hun<strong>der</strong>t Zentner Zuckerrüben für den Abtransport auf seinem Hof<br />

gelagert. Eines Abends ertappte er Frau D. mit einem Korb voller Rüben. "Du dicker, fetter Bauer<br />

hast genug, und wir haben nichts", schimpfte sie ihn aus. Herr H. war we<strong>der</strong> dick noch fett. Er hat<br />

die Beschimpfung humorvoll hingenommen und später noch oft davon erzählt.<br />

Mir ist nicht bekannt, dass in <strong>Heyen</strong> irgend jemand wegen Lebensmitteldiebstahl angezeigt wurde.<br />

Es hätte ohnehin nichts genützt, denn für das Geld, das evtl. als Strafe gezahlt werden musste,<br />

gab es vor <strong>der</strong> Währungsreform nicht viel zu kaufen.<br />

8.7 Kampf gegen den Hunger<br />

Am Kriegsende 1945 verließen Millionen ausländischer Arbeitskräfte die landwirtschaftlichen<br />

Betriebe. Sie mussten aus deutschen Beständen bevorzugt ernährt werden, sofern sie nicht in ihre<br />

Heimat zurückkehrten. Der Westen Deutschlands wurde mit Flüchtlingen und Vertriebenen<br />

überflutet. Zu den 4,5 Mio. Einwohnern Nie<strong>der</strong>sachsens kamen 2,2 Mio. hinzu.<br />

Um den Ausfall <strong>der</strong> Ostgebiete deutlich zu machen, sei auf eine Informationsschrift des 1949<br />

geschaffenen Bundesernährungsministeriums mit folgenden Zahlen verwiesen:<br />

Vor 1939 erzeugte Ostdeutschland:<br />

Getreide 5,94 Mill. t = 58,2% d. Gebietes v. 1949<br />

Hackfrüchte 14,54 Mill. t = 69,6% d. Gebietes v. 1949<br />

Zuckerrüben 3,53 Mill. t = 74,6% d. Gebietes v. 1949<br />

Hülsenfrüchte 0,19 Mill. t = 171,7% d. Gebietes v. 1949<br />

Butter 0,19 Mill. t = 78,5% d. Gebietes v. 1949<br />

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