Person und Glaube - Institut zur Förderung der Glaubenslehre
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Kapitel 5<br />
falschen Respekt <strong>und</strong> ohne Unbesonnenheit die Philosophie so<br />
weit zu führen, als sie gehen kann, so weit, als sie gehen muss"<br />
(Blondel). 285<br />
2. Blondel hat in seiner "Lettre" 286 an die Geschichte des abendländischen<br />
Denkens erinnert: Die griechische Spekulation trat<br />
mit dem Anspruch auf, "die Theorie vor die Praxis o<strong>der</strong> an ihre<br />
Stelle zu setzen" <strong>und</strong> "in sich, mit dem ersten <strong>und</strong> letzten Wort<br />
über die Dinge, eine Art göttlicher Selbstgenügsamkeit zu finden"<br />
(164). Wobei sie sich, um diesem Anspruch genügen zu<br />
können, zugleich mit ihrem menschlichen Maß beschied. 287<br />
Darum gab es zunächst eine Konkurrenz zwischen <strong>der</strong> bestehenden<br />
Philosophie <strong>und</strong> christlicher Verkündigung als <strong>der</strong> (wie die<br />
Apologeten erklären) wahren Philosophie. Zugleich erweiterte<br />
<strong>und</strong> vertiefte <strong>der</strong> Offenbarungsglaube den Raum bisherigen<br />
Wissens <strong>und</strong> Denkens – bis in die geist-erschlossenen "Tiefen<br />
Gottes" (1 Kor 2,10). 288<br />
_______________<br />
Sache Th. W. Adorno: "Die Auffor<strong>der</strong>ung, man solle sich <strong>der</strong> intellektuellen<br />
Redlichkeit befleißigen, läuft meist auf die Sabotage <strong>der</strong> Gedanken<br />
heraus." Minima Moralia (Ges. Schriften [Anm. 52] V, 90).<br />
285 L'Action. Essai d'une critique da la vie et d'une science de la<br />
pratique (1893), Paris 21950, 406: Die Aktion (1893). Versuch einer Kritik<br />
des Lebens <strong>und</strong> einer Wissenschaft <strong>der</strong> Praktik (R. Scherer), Freiburg/<br />
München 1965, 432.<br />
286 Lettre sur les exigences de la pensée contemporaine en matière<br />
d'apologétique et sur la méthode de la philosophie dans l'étude de<br />
problème religieux: Les premiers ècrits de Maurice Blondel, Paris 1956, 5-<br />
95: Zur Methode <strong>der</strong> Religionsphilosophie (H. Verweyen), Einsiedeln<br />
1974.<br />
287 Auf zwei Weisen, einmal direkt: "Liebe Seele, wünsch dir kein<br />
ewiges Sein, / Doch die Arbeit, die erfüllbar, schöpfe aus!" Pindar, Pyth<br />
3, 61f; "Sterbliches denken muss die sterbliche Natur", Sophokles, Fr 590<br />
P; "Wer ein Mensch ist, muss das Menschliche denken", Menan<strong>der</strong>, Sent.<br />
1, vgl. Fr K-Th 945. – Sodann komplizierter etwa in dem bekannten<br />
Aristoteles-Wort über unsere Nachtvogelaugen. "Wie sich die Augen <strong>der</strong><br />
Nachtvögel (νυκτερίδων [nykterídon]) zum Tageslicht verhalten, so verhält<br />
sich <strong>der</strong> Verstand unserer Seele zu dem, was seiner Natur nach am<br />
alleroffenbarsten ist" (Met II 993b 9-11). Und doch ist das Mühen um<br />
solches Schauen <strong>und</strong> was wir mit diesem Mühen zu erreichen vermögen,<br />
das Höchste <strong>und</strong> Beglückendste für den Menschen (De part. animal. I 5),<br />
ja ohne dies lohne es sich nicht zu leben (Protreptikus XXI).<br />
288 So wird dann <strong>der</strong> Aquinate erklären (hochgemut gegenüber dem<br />
"Kommentator"): "Mag auch das Auge des Nachtvogels die Sonne nicht<br />
sehen: es schaut sie dennoch das Auge des Adlers" (In Met. II 1; Nr. 286).