Person und Glaube - Institut zur Förderung der Glaubenslehre
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Kapitel 2<br />
dass Gott sich we<strong>der</strong> wählt noch sich zu sich entscheidet noch<br />
entschieden hat. Erst recht gilt das für ihn im Blick auf das Böse.<br />
Alles an<strong>der</strong>e wäre nun wirklich im üblen Sinn anthropomorph.<br />
Doch auch anthropologisch: Angefangene Freiheit, solange<br />
sie noch auf dem Weg zu sich selbst ist, vollzieht sich, an<strong>der</strong>s als<br />
Gott, in Wahl <strong>und</strong> Entscheidung. Wie aber ihren Anfang<br />
denken? (Er ist unfasslich, tatsächlich aber geschehen.) Kann<br />
(noch) nicht Seiendes sich zum Dasein entscheiden? Kein W<strong>und</strong>er<br />
darum, dass traditionell Gottes Schaffen als Herstellen aufgefasst<br />
wird. Doch lässt sich <strong>der</strong>art Freiheit schaffen?<br />
Oben wurde bereits das schöne Wort des Nikolaus von Kues<br />
zitiert (Anm. 11), dass <strong>der</strong> Mensch das Hören <strong>der</strong> Erde auf den<br />
Anruf Gottes sei. Ausführlicher hat Guardini Seins-Befehl <strong>und</strong><br />
Anruf zum Sein gegenübergestellt (S. 10). – Wie aber soll dessen<br />
Ur-Ja aus Wahl <strong>und</strong> Entscheidung hervorgehen, wenn er erst dadurch<br />
wird? Wie<strong>der</strong> in einem geometrischen Bild: Wie steht es<br />
um einen Winkel in seinem Spitz- <strong>und</strong> Quellpunkt? Man kann<br />
(mit Sartre) die Freiheit aus Unfreiheit beginnen sehen; doch das<br />
verschiebt die Frage nur: zum Anfang ihres Frei-werdens <strong>und</strong> -<br />
seins als solchen. Warum also nicht den Winkel schon in seinem<br />
Spitzpunkt anfangen lassen – <strong>und</strong> die Freiheit in ihrem Anfangspunkt:<br />
vor aller Wahl?<br />
Die folgt allerdings unverzüglich: als Stellungnahme zu diesem<br />
fraglosen Ja, bestätigend o<strong>der</strong> als Wi<strong>der</strong>spruch dazu, als<br />
Selbst-Wi<strong>der</strong>spruch.<br />
Wahl <strong>und</strong> Entscheidung sind also sek<strong>und</strong>är – was nicht bedeutet:<br />
nebensächlich. In <strong>der</strong> Tat ist ja endliche (ich sage lieber:<br />
gerufene) Freiheit keineswegs darauf aus, sich immer wie<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />
"Qual <strong>der</strong> Wahl" auszusetzen <strong>und</strong> immer neu zu entscheiden.<br />
Was sie vielmehr durch alles Wählen <strong>und</strong> Entscheiden zu<br />
erreichen sucht, das ist Entschiedenheit. Die aber stellt nichts<br />
an<strong>der</strong>es dar als die ihr eigene Form von Identität. Als Anfangskraft<br />
ist Freiheit Kraft <strong>zur</strong> Selbstbestimmung.<br />
2. Nun wird abendländisch diese Freiheit = Identität vor allem<br />
als Selbstand <strong>und</strong> Selbstsein gedacht: unter <strong>der</strong> Devise Autonomie<br />
<strong>und</strong> dem Stern Autarkie [Selbstgenügen]. Das geht von <strong>der</strong><br />
wirkmächtigen aristotelischen Bestimmung, <strong>der</strong> Freie existiere<br />
"seinetwegen", bis <strong>zur</strong> Kantschen Formel vom "Zweck an sich<br />
selbst". 119<br />
_______________<br />
119 Aristoteles, Met I 2, 982b 25f: ἄνθρωπος ἐλεύθερος ὁ ἑαυτοῦ<br />
ἕνεκα (ánthropos eleútheros ho heautoū héneka). Im lateinischen "homo<br />
liber sui causa" ist "causa" also Ablativ; doch begegnet es bei Thomas