Person und Glaube - Institut zur Förderung der Glaubenslehre
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26<br />
Kapitel 1<br />
Aufgehoben?<br />
1. Das hier gemeinte Erscheinen des Du schil<strong>der</strong>t Jean-Paul<br />
Sartre in einer berühmten Passage als Einbruch eines fremden<br />
Blicks in das Ich-Reich: "als eine reine Auflösung <strong>der</strong> Verhältnisse,<br />
die ich zwischen den Dingen meines Mikrokosmos auffasse".<br />
46 Ich erkenne, dass die Dinge sich auch ihm zeigen, <strong>und</strong><br />
zwar an<strong>der</strong>s als mir. "Die Erscheinung des An<strong>der</strong>en in <strong>der</strong> Welt<br />
entspricht also einem regungslosen Entgleiten des ganzen<br />
Mikrokosmos, einer Dezentrierung <strong>der</strong> Welt" (341). – Vor allem<br />
aber kann er mich ins Auge fassen. Die Wahrheit des 'Den-<br />
An<strong>der</strong>en-Sehens' ist das 'Vom-An<strong>der</strong>en-gesehen-werden' (343).<br />
Angeblickt, sehe ich nicht auf mich gerichtete Augen – die<br />
wären ja Dinge meiner Welt. "Der Blick des An<strong>der</strong>en verbirgt<br />
seine Augen" (344). Zwar lässt sich auch ein Blick erfassen: wenn<br />
er an<strong>der</strong>em gilt; aber den, <strong>der</strong> mich trifft, nehme ich nicht wahr,<br />
mir wird vielmehr bewusst, "erblickt zu werden" (345).<br />
Was bedeutet dies für das Ich? Sartre untersucht es an <strong>der</strong><br />
Peinlichkeit, bei etwas Ungehörigem ertappt zu werden. Das<br />
erste ist, dass man selber erscheint. Denn vorher war man<br />
selbstvergessen bei <strong>der</strong> Sache (ein Auge sieht nicht sich). Sartre<br />
zitiert die Formel: "Ich sehe mich, weil man mich sieht", findet sie<br />
jedoch "nicht ganz richtig" (347). Denn in <strong>der</strong> Tat sehe nach wie<br />
vor nicht ich mich; mir wird vielmehr bewusst, vom An<strong>der</strong>en<br />
erblickt zu werden. "Das bedeutet, dass ich mit einem Male<br />
Bewusstsein meiner selbst habe, soweit ich mir entgehe [...] Ich<br />
bin, jenseits aller Erkenntnis, die ich haben kann, jenes Ich, das<br />
ein An<strong>der</strong>er erkennt" (347f).<br />
Scham entdeckt mir mein Sein als das, wessen ich mich<br />
schäme <strong>und</strong> dessen ich nicht Herr bin, das ich nicht habe,<br />
son<strong>der</strong>n bin. "Alles geht so vor sich, als ob ich eine Seinsdimension<br />
hätte, von <strong>der</strong> ich durch ein tiefgreifendes Nichts getrennt<br />
bin; <strong>und</strong> dieses Nichts ist eben die Freiheit des An<strong>der</strong>en" (349).<br />
Zugleich aber zeigt gerade die Scham, dass ich nicht einfach<br />
eine Sache unter Sachen in <strong>der</strong> Welt des Fremden bin. Ich bin<br />
auch dies: "die Scham ist – wie <strong>der</strong> Stolz – die Erfassung meiner<br />
selbst als Natur, wenn auch diese Natur mir entgeht <strong>und</strong> als<br />
solche unerkennbar ist" (350). Aber nicht als Natur erfasse ich<br />
mich als Natur; in meiner Scham nehme ich mich mit dem<br />
an<strong>der</strong>en zusammen, "ich behaupte eine tiefe Gemeinsamkeit <strong>der</strong><br />
Bewusstseinsindividuen" (349). Ich sehe mich mit seinen Augen.<br />
_______________<br />
46 Das Sein <strong>und</strong> das Nichts, Hamburg 1962, 340.