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Person und Glaube - Institut zur Förderung der Glaubenslehre

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Gottesbeweis aus Gotteserfahrung? 83<br />

nach seinem Sinn. Und dies nicht erst, weil Theologen o<strong>der</strong> Psychologen<br />

an <strong>der</strong> "süße[n] Frucht" des Lebens "nagen" o<strong>der</strong> in sie<br />

"ihre ver<strong>der</strong>blichen Eier legen" (357). Sei sie auch noch so süß<br />

(<strong>und</strong> herb) <strong>und</strong> sich genug: gilt nicht "Genug ist nicht genug"<br />

(Conrad Ferdinand Meyer in dem Gedicht: Fülle)?<br />

In West wie Ost ist die Weltweisheit übereinstimmend zu<br />

<strong>der</strong> Überzeugung gekommen, Leben sei Leiden. Nicht bloß Einzelkümmernisse,<br />

das Dasein als solches mit den fünf "Stücken<br />

des Anhangens", die den Menschen prägen: Körper, Empfindung,<br />

Wahrnehmung, Geistesregungen, Bewusstsein. So die heilige<br />

o<strong>der</strong> "edle Wahrheit" Buddhas. 193 Gleichen Sinnes die Griechen:<br />

"Das Beste ist, nicht geboren zu sein; <strong>und</strong> bist du geboren,<br />

das Zweitbeste, rasch wie<strong>der</strong> dorthin zu gehen, woher du<br />

kamst." 194<br />

In <strong>der</strong> Tat sind die Dinge ringsum – <strong>und</strong> wir selber – begrenzt.<br />

"In allem etwas zu wenig" (Ingeborg Bachmann). 195<br />

Macht man nun diese Begrenztheit als solche zum Thema, dann<br />

verliert sich die begrenzte Wirklichkeit <strong>und</strong> Gutheit des Seienden<br />

in <strong>der</strong> grenzenlosen Weite dessen, was es alles nicht ist,<br />

nicht hat, nicht zu geben vermag. Dies übermächtige Nichtsein<br />

verdeckt das reale Sein <strong>der</strong> Dinge <strong>und</strong> ihre faktische Gutheit<br />

auch dort, wo man das Sein als solches nicht so negativ sieht wie<br />

Buddha, son<strong>der</strong>n es – hinduistisch – als Saccidânanda = Wirklichkeit-Wissen-Seligkeit<br />

denkt. Sei also das Sein als solches gut;<br />

endliches Sein ist es im Kreislauf <strong>der</strong> Geburten nicht.<br />

Denn <strong>der</strong> Endlichkeit entspringt ein Trieb <strong>zur</strong> Grenzüberschreitung:<br />

appetitus, eros, ein "Durst", <strong>der</strong> durch jede Stillung gemehrt<br />

wird. Das Gift, welches nach Nietzsches Diktum das Christentum<br />

dem Eros zu trinken gegeben habe, 196 besteht ja gerade<br />

in <strong>der</strong> "Verunendlichung" (samt "Verjenseitigung") des Eros. Ihr<br />

wi<strong>der</strong>spricht entschiedener Rück-Ruf, von <strong>der</strong> Antike an –<br />

"Denkt Sterbliches, Sterbliche!" – bis zu Nietzsches "Bleibt <strong>der</strong><br />

Erde treu!" 197<br />

_______________<br />

193 Der Pfeiler <strong>der</strong> Einsicht (22. Rede), in: Die Reden Gotamo Buddhos<br />

(K. E. Neumann), II (Aus <strong>der</strong> längeren Sammlung), Zürich-Wien 21957,<br />

383-397, bes. 390ff.; vgl. H. W. Schumann, Buddhismus, Olten 1976, 59-<br />

69.<br />

194 Sophokles, Ödipus auf Kolonos 1225ff; vgl. Plutarch, Trostschreiben<br />

an Apollonius 115 (mit Berufung auf Aristoteles).<br />

195 Werke (Anm. 1) II, 68 (Der Schweißer).<br />

196 Jenseits von Gut <strong>und</strong> Böse 18 (KSA 5, 102).<br />

197 "Sterbliches denken muss die sterbliche Natur", Sophokles, Fr. 590

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