Person und Glaube - Institut zur Förderung der Glaubenslehre
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46<br />
Kapitel 2<br />
teressen, we<strong>der</strong> aus privaten noch aus allgemeineren, tun. Wenn<br />
er ernstlich Gehör finden will, muss er sich auf den Willen <strong>zur</strong><br />
Wahrheit berufen. Dieses "Wahrheitsinteresse" aber versteht sich<br />
selbst we<strong>der</strong> als beliebig noch als gezwungen, son<strong>der</strong>n es wird<br />
tätig aus Pflicht. Aus <strong>der</strong> Pflicht, "<strong>der</strong> Wahrheit die Ehre zu<br />
geben", wie unsere Sprache bedenkenswert sagt. (Wer demgegenüber<br />
sagen wollte: "Ob recht o<strong>der</strong> unrecht, jedenfalls dient es<br />
uns bzw. <strong>der</strong> Menschheit" – was heißt: irgendeiner behaupteten<br />
Majorität – , hätte damit jede prinzipielle Diskussion beendet<br />
<strong>und</strong> würde folgerichtig den Disput durch Kampf- o<strong>der</strong> "Therapie"-Maßnahmen<br />
ersetzen.)<br />
Der Anspruch, dass das Gute sein soll, begegnet uns in<br />
seinem einzigartigen Selbst-Gerechtfertigtsein als Gewissenserfahrung.<br />
Sie meint Kant mit dem paradoxen Ausdruck "Faktum<br />
<strong>der</strong> Vernunft". 86 Faktum, weil indiskutabel, 87 aber nicht, wie<br />
sonst, empirisch-sinnlich, son<strong>der</strong>n einleuchtend <strong>und</strong> sinnvoll.<br />
Die Griechen benannten dies Moment am Guten als kalón =<br />
(nicht bloß zuträglich, son<strong>der</strong>n) schön; geistliche wie philosophische<br />
Lehrer haben es immer wie<strong>der</strong> im Bildwort des Lichts<br />
zu umschreiben versucht; wofür Reinhard Lauth den Terminus<br />
des Doxischen vorgeschlagen hat. 88 Es geht um Freiheits-Erfahrung;<br />
einzig Freiheit trifft dieser Anspruch in seiner gewaltlosen,<br />
doch eben so machtvollen Unbedingtheit. 89<br />
_______________<br />
86 D. Henrich, Der Begriff <strong>der</strong> sittlichen Einsicht <strong>und</strong> Kants Lehre<br />
vom Faktum <strong>der</strong> Vernunft, in: D. Henrich u.a. (Hrsg.), Die Gegenwart<br />
<strong>der</strong> Griechen im neueren Denken (FS H.-G. Gadamer), Tübingen 1960,<br />
77-109.<br />
87 Diskutabel sind konkrete Handlungen <strong>und</strong> Normen (im Situationsgewissen<br />
[conscientia]), nicht aber das Prinzip, <strong>der</strong> Wahrheit die<br />
Ehre zu geben, das Gute zu tun (im voraus <strong>zur</strong> Frage, was dies hier <strong>und</strong><br />
jetzt sei, vielmehr eben auch <strong>zur</strong> Klärung dessen auffor<strong>der</strong>nd), gewissenhaft<br />
zu sein o. ä. (im Ur- o<strong>der</strong> Prinzipiengewissen [syn<strong>der</strong>esis]).<br />
Passen<strong>der</strong> als "Faktum" (= Gemachtes) fände ich allerdings "Datum" =<br />
Gegeben).<br />
88 Ders., Ethik in ihrer Gr<strong>und</strong>lage aus Prinzipien entfaltet, Stuttgart<br />
1969, 9; vgl. J. Sp., Freiheits-Erfahrung, 3Köln 2006, Teil I: Licht des<br />
Unbedingten.<br />
89 Es ist darum – gegen E. Tugendhat, Vorlesungen über Ethik,<br />
Frankfurt/M. 1993, 35f – unerlässlich, von "sollen" zu sprechen: Man<br />
muss sein Versprechen keineswegs halten (müssen = nicht an<strong>der</strong>s<br />
können); doch man soll es – unbedingt (<strong>und</strong> soll dies wollen, statt dass<br />
[61] man es, weil zum Ich-Ideal gewillt, schlicht selber wollte).