Person und Glaube - Institut zur Förderung der Glaubenslehre
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Freiheit <strong>und</strong> das Böse 57<br />
Verzicht auf sexuelle Abenteuer an<strong>der</strong>wärts). Beides erklärt<br />
Buchtitel (samt ihrem Erfolg) wie "Gute Mädchen kommen in<br />
den Himmel – böse überall hin".<br />
Und dahinter steht mehr. Der Hauptstrom biblisch-christlicher<br />
Tradition sieht hinter dem Zug zum Bösen Hochmut. Mir<br />
scheint demgegenüber die These plausibler, es gehe um Angst,<br />
um Misstrauen <strong>und</strong> Groll. Gott kann nur Begrenztes schaffen.<br />
Geschöpfe, denen ihre Endlichkeit bewusst ist, wissen dies im<br />
Horizont <strong>der</strong> Unendlichkeit. Und vor diesem Meer <strong>der</strong> Möglichkeiten<br />
schrumpft ihnen ihre Wirklichkeit zum Beinah-Nichts.<br />
Dass <strong>der</strong> Schöpfer sie ins Sein gerufen hat, zeigt seine Liebe<br />
(statt dass, wie Theologen-Hochmut erklärt, <strong>der</strong> Gott <strong>der</strong> Philosophen<br />
nichts als eine kalte causa sui wäre). Doch zeigen ihre<br />
Grenzen nicht zugleich die Grenzen dieser Liebe? Hier meldet<br />
sich die Versuchung zum "Kleinglauben", zum Gedanken, selbst<br />
für sich sorgen zu müssen – während Dankbarkeit das Geist-Geschöpf<br />
dazu brächte, die begrenzte Gabe als Sakrament vorbehaltloser<br />
Zuwendung zu erkennen. 113<br />
Also muss Freiheit sich zumindest mit dem Bösen auseinan<strong>der</strong>setzen?<br />
In diesem Sinn erklärt Friedrich Wilhelm Joseph<br />
Schelling als "reale[n] <strong>und</strong> lebendige[n] Begriff" <strong>der</strong> Freiheit,<br />
"dass sie ein Vermögen des Guten <strong>und</strong> Bösen sei." 114<br />
3. Schelling schreibt das in seiner berühmten Schrift über die<br />
menschliche Freiheit; aber er meint seine Bestimmung nicht bloß<br />
für diese. Auch in Gott "geht die Schwerkraft [...] vor dem Licht<br />
her als dessen ewig dunkler Gr<strong>und</strong>" (358). Gottes Göttlichkeit<br />
hält diesen Gr<strong>und</strong> stets in <strong>der</strong> bloßen Möglichkeit (399). Doch in<br />
<strong>der</strong> Schöpfung kommt er <strong>zur</strong> Existenz, <strong>und</strong> "nichts an<strong>der</strong>s" als<br />
diese Aktualisierung <strong>und</strong> das Streben zu ihr ist das Böse (378).<br />
Dieser Gedanke verbindet sich mit dem schon abgewiesenen,<br />
dass "jedes Wesen nur in seinem Gegenteil offenbar werden"<br />
könne, "Liebe nur in Hass, Einheit in Streit" (373). Dazu kommen<br />
zwei weitere: einmal, dass "Gott notwendig sich offenbaren<br />
_______________<br />
113 F. v. Baa<strong>der</strong>: "Danken in <strong>der</strong> Schriftsprache ist die Praesenz des<br />
Gebers in <strong>der</strong> Gabe anerkennen." WW (Anm. 94) IX 387 (Revision <strong>der</strong><br />
Philosopheme <strong>der</strong> Hegel'schen Schule). Der Sündenfall ist so mitnichten,<br />
wie in <strong>der</strong> Sicht <strong>der</strong> Denker des Deutschen Idealismus, das Tor <strong>zur</strong><br />
Menschwerdung des Menschen, son<strong>der</strong>n ein Versagen vor <strong>der</strong> Insinuation<br />
kleinlichen Argwohns (J. Sp., Zur Antwort berufen. Zeugnis aus<br />
christlichem Stand, 4Köln 2005, 109 u. 128-130).<br />
114 Über das Wesen <strong>der</strong> menschlichen Freiheit (Sämmtl. Werke 1860<br />
VII), 352.