Person und Glaube - Institut zur Förderung der Glaubenslehre
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82<br />
Kapitel 3<br />
missbrauchte für den Beweis 'vom Dasein eines höchsten Wesens<br />
aus Begriffen'" (Kern ebd., 107 62).<br />
c) Und ein dritte Klärung ist nötig: die Unterscheidung von<br />
Naturtendenz (appetitus naturalis) <strong>und</strong> bewusstem Ausgriff<br />
(appetitus elicitus). – Ein bewusstes Streben wird von einer Vorstellung<br />
geleitet. Wer etwas für unmöglich hält, kann es vielleicht<br />
wünschen, nicht aber anstreben <strong>und</strong> wollen. Doch kann<br />
man leicht etwas für möglich halten, was es nicht ist, gleichgültig,<br />
ob es um Denkmöglichkeit, also Nicht-Wi<strong>der</strong>sprüchlichkeit,<br />
geht o<strong>der</strong> um Realmöglichkeit.<br />
Bei einer Naturtendenz nun entfällt die Differenz von vermeintlich<br />
<strong>und</strong> tatsächlich möglich, weil hier eine leitende Vorstellung<br />
überhaupt, also jedes Meinen/Vermeinen entfällt. Statt<br />
dass sie von Vorstellungen bestimmt wird, erschließen wir<br />
umgekehrt sie als Bedingung <strong>der</strong> Möglichkeit bestimmter Vorstellungen,<br />
<strong>und</strong> zwar wie<strong>der</strong>um nicht als logische Bedingung –<br />
bloßer Begriffe, son<strong>der</strong>n als reale – von realiter gehegten. Man<br />
sieht die Verwandtschaft zum Gedankengang in <strong>der</strong> dritten<br />
Meditation Descartes'; doch wird hier nicht, via Kausalprinzip<br />
<strong>und</strong> Abweis unendlichen Fortgangs, auf Gott geschlossen, son<strong>der</strong>n<br />
es kommt – eben transzendental – erst nur <strong>der</strong> Ausgriff<br />
selbst in den Blick. Damit kommen wir zum ersten Satz, dem<br />
"Nerv" des Arguments.<br />
2. Geht unser Ausgriff wirklich auf Unendlichkeit? Und zwar<br />
nicht bloß bei einzelnen Menschen wie "religiös Musikalischen"<br />
o<strong>der</strong> Philosophen, die sich in <strong>der</strong>lei versteigen, son<strong>der</strong>n ausnahmslos<br />
bei jedem <strong>und</strong> von Wesen? – Allerdings wäre bereits<br />
für jene Leute nach den Bedingungen <strong>der</strong> Möglichkeit solcher<br />
Verstiegenheiten zu fragen. Doch haben wir hier schon darum<br />
mit Wi<strong>der</strong>ständen zu rechnen, weil das Streben eines Endlichen<br />
auf Unendliches hin paradox <strong>und</strong> offenbar nicht ohne Schmerz<br />
zu haben wäre.<br />
Lange Zeit begegnete in pastoralen Debatten Dietrich<br />
Bonhoeffers Wort, <strong>der</strong> Hinweis auf die Grenzen des Menschen<br />
sei "unvornehm" <strong>und</strong> "pfäffisch". 192 "Der einfache Mann [...] hat<br />
we<strong>der</strong> Zeit noch Lust, [...] sein vielleicht bescheidenes Glück<br />
unter dem Aspekt <strong>der</strong> 'Not', <strong>der</strong> 'Sorge', des 'Unheils' zu betrachten"<br />
(358). Doch kann man Not <strong>und</strong> Sorge tatsächlich nicht leugnen,<br />
<strong>und</strong> im Glück selbst meldet sich Ungenügen. Im "an sich"<br />
fraglosen Sinngeschehen selber erwacht nochmals die Frage<br />
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192 Wi<strong>der</strong>stand <strong>und</strong> Ergebung (E. Bethge), Neuausg. München 1970,<br />
377-380.