Person und Glaube - Institut zur Förderung der Glaubenslehre
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Freiheit <strong>und</strong> das Böse 51<br />
unrückführbar am Anfang des Weltgeschehens, das sich als<br />
Zerstreuung des Lichts <strong>und</strong> als Kampf um seine rettende Sammlung<br />
darstellt. Eine ähnliche Spannung zeigt sich nicht nur in <strong>der</strong><br />
"Dichotomie" <strong>der</strong> klassischen Metaphysik (<strong>und</strong> gerade auch –<br />
siehe gleich – in den antiken Monismen), son<strong>der</strong>n wirkt im<br />
Konzept eines innergöttlichen Dualismus bis in Spekulationen<br />
des späten Schelling weiter. (Nur hinweisen kann ich hier auf<br />
die Kabbala-Forschung Gershom Scholems.)<br />
Im Zug dieser Tradition verliert <strong>der</strong> Dualismus nicht selten<br />
seinen ethisch-kämpferischen Charakter <strong>und</strong> wird als Erscheinung<br />
eines Gesamt dargestellt, das als solches vollkommen <strong>und</strong><br />
"gut" ist. – Als Beispiel sei Plotin, <strong>der</strong> Begrün<strong>der</strong> des Neuplatonismus<br />
genannt. Sein Wort für die Entstehung des Kosmos<br />
lautet "Apórrhoia" = Emanation (Ausfluss). Und sein Lieblingsbild<br />
für das hiermit Gemeinte ist das ins Dunkel ausstrahlende<br />
Licht. 97<br />
Während (gemäß <strong>der</strong> antiken Physik) die Lichtquelle dabei<br />
keine Verän<strong>der</strong>ung <strong>und</strong> keinerlei Substanzverlust erleidet,<br />
nimmt ihre Ausstrahlung doch mit <strong>der</strong> Entfernung ab, nicht aufgr<strong>und</strong><br />
eines Wi<strong>der</strong>standes, son<strong>der</strong>n mit innerer Notwendigkeit.<br />
Die äußerste Licht- o<strong>der</strong> Feuergrenze ist nun die Materie. In ihr<br />
erlischt das Licht. Und als so existierendes Nichts heißt die<br />
Materie ausdrücklich "das wahrhaft Böse". Derart "automatisch"<br />
aus dem Guten entstanden, existiert dieses Böse ebenso notwendig<br />
wie dieses. 98<br />
Freiheit <strong>und</strong> Notwendigkeit sollen hier in eins gedacht werden<br />
können. Darum ist auch die Welt insgesamt nicht vom Übel.<br />
Sie ist im Gegenteil als schönste <strong>der</strong> möglichen Welten die herrliche<br />
Offenbarung <strong>der</strong> Gottheit. Ähnlich wie die Schatten im Bild<br />
erhalten die Mängel in <strong>der</strong> Gesamtbetrachtung ihren Platz <strong>und</strong><br />
Sinn.<br />
Solch emanatistischem Monismus wäre <strong>der</strong> neuzeitlich evolutive<br />
an die Seite zu stellen: das Sich-Durchringen werden<strong>der</strong><br />
Gottheit zum Licht. Doch dürfte auch das bisher Skizzierte<br />
genügen, um die Gr<strong>und</strong>strategie dieser Antwortversuche zu<br />
zeigen. Kurz gesagt: Schuld (das moralische Übel) wird in solchen<br />
Philosophien auf das physische Übel <strong>zur</strong>ückgeführt. Dieses<br />
wird dann entwe<strong>der</strong> als naturhafte Gegenmacht aufgefasst o<strong>der</strong><br />
als unvermeidliche Mangelerscheinung <strong>der</strong> Welt verstanden,<br />
_______________<br />
97 Enn. V 1, 7; IV 3, 9; V 3, 12.<br />
98 Enn. I 8, 5, 9 u. 7, 20ff.