Person und Glaube - Institut zur Förderung der Glaubenslehre
Person und Glaube - Institut zur Förderung der Glaubenslehre
Person und Glaube - Institut zur Förderung der Glaubenslehre
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
52<br />
Kapitel 2<br />
wenn es nicht sogar als notwendiges Kontrastmoment in <strong>der</strong><br />
gesamt-kosmischen Harmonie positiv gerechtfertigt wird.<br />
Der große Erstname hierfür in <strong>der</strong> antiken Philosophie ist <strong>der</strong><br />
Heraklits: "Gott ist Tag Nacht, Winter Sommer, Krieg Frieden,<br />
Sattheit Hunger. Er wandelt sich aber wie das Feuer, das, wenn<br />
es mit Räucherwerk vermengt wird, nach dem Duft eines<br />
jeglichen heißt" (Fragm. 67). Die Welt ist "kosmos", das heißt ein<br />
Ordnungs- ("Schmuck"-)Gesamt stimmiger Gegensätzlichkeit:<br />
"Haben sie nicht mich, son<strong>der</strong>n den Sinn vernommen, so ist es<br />
weise, dem Sinne gemäß zu sagen, alles sei eins. Sie verstehen<br />
nicht, wie es auseinan<strong>der</strong> getragen mit sich selbst im Sinn<br />
zusammen geht: gegenstrebige Harmonie wie die des Bogens<br />
<strong>und</strong> <strong>der</strong> Leier" (Fragm. 50, 51). In summa: "Für Gott ist alles<br />
schön <strong>und</strong> gut <strong>und</strong> gerecht; die Menschen aber haben das eine<br />
als ungerecht, das an<strong>der</strong>e als gerecht angenommen" (Fragm.<br />
102). 99<br />
Entschiedenen Wi<strong>der</strong>spruch hiergegen meldet die attische<br />
Philosophie an. Sie versteht sich als Antwort auf die sophistische<br />
Krise, in welche <strong>der</strong> Geltungsschw<strong>und</strong> überlieferter Normen geführt<br />
hat <strong>und</strong> durch die (auch wenn man die großen Sophisten<br />
an<strong>der</strong>s beurteilt, als sie Platon uns vorstellt100) dem Humanum<br />
<strong>der</strong> Untergang in technizistischen Relativismus droht. Wie<br />
gegen diesen zynischen Subjektivismus müssen sich Platon <strong>und</strong><br />
Aristoteles auch gegen einen Relativismus wenden, <strong>der</strong> sich<br />
ontologisch o<strong>der</strong> "theologisch" begründet.<br />
_______________<br />
99 Oben, Anm. 42, wurde schon C. G. Jungs Option für die Vierfachheit<br />
gegen die christliche Trinität angesprochen. Deren isolierende<br />
Absolutsetzung müsse zu einer sie spiegelbildlich ergänzenden<br />
satanischen Trinität führen.<br />
Bei J.-M. Guyau liest man sogar (Sittlichkeit ohne "Pflicht", Leipzig<br />
1909, 60): "Gut <strong>und</strong> böse sind gleichsam sittliche Temperaturunterschiede,<br />
es ist vielleicht nötig, dass sie sich, wie kalt <strong>und</strong> warm, das<br />
Gleichgewicht halten. Vielleicht heben sich Gut <strong>und</strong> Böse nach einem<br />
gewissen Zeitraume in <strong>der</strong> Welt gegenseitig auf, wie die verschiedenen<br />
Bewegungen auf <strong>der</strong> Meeresoberfläche sich aufheben" (Nietzsche<br />
zeichnet den Satz in seinem Exemplar mit einem Ausrufezeichen aus<br />
[283]). Ddie Frage drängt sich auf, was zu einer solchen Ökonomik<br />
entwürdigte Frauen <strong>und</strong> zerstörte Kin<strong>der</strong> anmerken würden.<br />
100 J. Mittelstraß, Neuzeit <strong>und</strong> Aufklärung. Studien <strong>zur</strong> Entstehung<br />
<strong>der</strong> neuzeitlichen Wissenschaft <strong>und</strong> Philosophie, Berlin 1970, 41: "Die<br />
Platonische Karikatur <strong>der</strong> Sophistik, die wohl die wirkungsvollste<br />
Diskreditierung darstellt, welche die Philosophiegeschichte kennt, trifft<br />
im Gr<strong>und</strong>e nur auf die jüngeren Vertreter dieser, historisch gesehen nicht<br />
einmal sehr profilierten, Gruppe zu."