Person und Glaube - Institut zur Förderung der Glaubenslehre
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Ich als Du 17<br />
durch die Definition des Boethius: "naturae rationalis individua<br />
substantia – vernunftbestimmtes Einzelwesen". 18<br />
Ausgerechnet für den vorgesehenen Zweck, den Umgang<br />
mit Gottes Dreieinigkeit, war diese Bestimmung zwar nur<br />
schlecht geeignet – macht sie doch fast unvermeidlich aus <strong>der</strong><br />
Lehre von drei göttlichen <strong>Person</strong>en einen Tritheismus, also das<br />
Bekenntnis zu drei Göttern. Dennoch hat sie sich bis heute als<br />
klassisch behauptet. Das aus theologischem Interesse Erarbeitete<br />
etabliert sich in <strong>der</strong> Folge als eine genuin philosophische<br />
Thematik. <strong>Person</strong> wird zum Namen für Freiheit, Selbstbewusstsein<br />
<strong>und</strong> Selbstzwecklichkeit; das Wort meint ein Wesen von<br />
Würde, dem – unabhängig von seinem Leistungsmermögen <strong>und</strong><br />
charakterlichen Wert <strong>und</strong> Unwert – unbedingte Achtung gebührt.<br />
So schreibt Immanuel Kant in seiner Gr<strong>und</strong>legung <strong>zur</strong> Metaphysik<br />
<strong>der</strong> Sitten: 19 "... vernunftlose Wesen [... haben] nur einen<br />
relativen Wert, als Mittel, <strong>und</strong> heißen daher Sachen, dagegen<br />
vernünftige Wesen <strong>Person</strong>en genannt werden, weil ihre Natur<br />
sie schon als Zwecke an sich selbst, d.i. als etwas, das nicht bloß<br />
als Mittel gebraucht werden darf, auszeichnet."<br />
Zeugt es nun schon von Un- <strong>und</strong> Missverstehen, wenn man<br />
die überkommene Lehre von <strong>der</strong> Substanz als "Klötzchen-Denken"<br />
verunglimpft, dann verdoppelt die Inkompetenz sich bei<br />
ähnlichen Urteilen über den klassischen <strong>Person</strong>-Begriff. Nicht<br />
bloß ist ein Selbst, das für sich selbst ein Selbst ist, kein Klotz,<br />
son<strong>der</strong>n Vollzug, als Selbstvollzug; obendrein sagt Vernunft:<br />
prinzipiell uneingeschränkte Aufnahmefähigkeit.<br />
Einräumen muss man jedoch, dass dieser Bezugs-Aspekt<br />
hinter dem <strong>der</strong> Selbständigkeit <strong>zur</strong>ücktrat. Das Für-an<strong>der</strong>e-sein<br />
bleibt durch die Denkgeschichte hin im Schatten des Selbst-<br />
Seins, sozusagen unterbelichtet. Und abgesehen von dieser<br />
gr<strong>und</strong>sätzlich "theoretischen" Frage gilt dies erst recht im Blick<br />
auf Leben <strong>und</strong> Praxis. Hier hat sich in <strong>der</strong> europäischen Neuzeit<br />
ein liberaler, o<strong>der</strong> vielmehr ein liberalistischer Individualismus<br />
durchgesetzt, <strong>der</strong> nicht bloß etwa aus afrikanischer Sicht als<br />
Verarmung des Menschlichen erscheint.<br />
_______________<br />
18 Contra Eutychen 3.<br />
19 65. Werke in sechs Bänden (W. Weischedel) IV 60.