Person und Glaube - Institut zur Förderung der Glaubenslehre
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150<br />
Kapitel 6<br />
3. Eigentlich ist es nach wie vor die Todesangst, die das Gesetz<br />
des Handelns diktiert. Nur votiert man jetzt dafür, den Ernst <strong>der</strong><br />
Mo<strong>der</strong>ne, bei dem es leicht to<strong>der</strong>nst werden konnte, aufzugeben.<br />
Spielen hat Konjunktur, <strong>und</strong> nicht bloß in <strong>der</strong> Marquardschen<br />
Sinn-Diätetik. 371 Richard Rorty: "Ich möchte vorschlagen, dass<br />
wir mit <strong>der</strong> Philosophie tun, was die Aufklärer mit <strong>der</strong><br />
Theologie getan haben. Die Frage etwa, ob es sinnvoll ist, zwischen<br />
Sein <strong>und</strong> Schein zu unterscheiden, kann man getrost<br />
Leuten überlassen, denen diese Art von Fragen wichtig ist, ganz<br />
wie theologische Dispute den Theologen überlassen worden<br />
sind." 372<br />
So erscheint die Gesellschaft inzwischen nicht bloß in Teilen<br />
o<strong>der</strong> zu Zeiten, son<strong>der</strong>n insgesamt als Erlebnis-, näher hin als<br />
Spaß-Gesellschaft – <strong>und</strong> lässt an ein Distichon Höl<strong>der</strong>lins denken:<br />
373<br />
Immer spielt ihr <strong>und</strong> scherzt? ihr müsst! – Fre<strong>und</strong>e! mir<br />
geht dies<br />
In die Seele, denn dies müssen Verzweifelte nur.<br />
Solches Spiel ist ja mitnichten jenes <strong>der</strong> Liturgie, darum auch<br />
we<strong>der</strong> mit Scheu noch mit Gnade verb<strong>und</strong>en.<br />
Darum lassen sich auch an ihm selbst mühelos Gewaltsamkeiten<br />
entdecken. Es ist ja bereits ein Gemeinplatz, dass die<br />
sogenannte "Postmo<strong>der</strong>ne" ihrerseits die Mo<strong>der</strong>ne nicht eigentlich<br />
ablöst, son<strong>der</strong>n sie vielmehr vollendet. Deshalb hat ihre<br />
Krise <strong>und</strong> die Kritik an ihr durchaus ein Doppelgesicht. Wächst<br />
nicht überhaupt – von den Gr<strong>und</strong>schulen an – gerade die<br />
Gewaltbereitschaft hierzulande? Im einzelnen wäre das wie<strong>der</strong><br />
_______________<br />
371 O. Marquard: Apologie des Zufälligen, Stuttgart 1986; Glück im<br />
Unglück, München 1995; Philosophie des Stattdessen, Stuttgart 2000.<br />
Dazu: A. Halbmayr, Lob <strong>der</strong> Vielheit. Zur Kritik Odo Marquards am<br />
Monotheismus, Innsbruck 2000.<br />
372 Lasst uns das Thema wechseln, in <strong>der</strong> Zeit vom 18. VII. 1997, 38f. –<br />
Statt "vernunftfernen, meist militant fideistischen Optionen" heißen<br />
längst rationale Begründungsprogramme "f<strong>und</strong>amentalistisch". "Hobby-<br />
Nietzscheaner bevölkern Lehrstühle <strong>und</strong> Feuilletons <strong>und</strong> belächeln die<br />
Letztbegründler, die bisweilen mit Blick auf Aristoteles' Sprachregelung<br />
auch 'Erstphilosophen' heißen, mitleidig als Nachhut <strong>der</strong> im Aussterben<br />
begriffenen Spezies des 'Ontosaurier philosophicus'". K. Müller, Wie viel<br />
Vernunft braucht <strong>der</strong> <strong>Glaube</strong>? in: F<strong>und</strong>amentaltheologie – Fluchtlinien<br />
<strong>und</strong> gegenwärtige Herausfor<strong>der</strong>ungen (Hg. K. Müller), Regensburg 1998,<br />
77-100, 77 u. 79. – Gerade Rorty gewidmet ist das Plädoyer für Vernunft,<br />
das kürzlich Th. Nagel vorgelegt hat: Das letzte Wort (Anm. 358).<br />
373 Die Scherzhaften: SW, Kl. Stuttgarter Ausgabe 1944ff, 1, 302.