Person und Glaube - Institut zur Förderung der Glaubenslehre
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Kapitel 3<br />
wurde, wenn man die Objektionen seiner Zeitgenossen als Maßstab<br />
nehmen darf" (Gerhart Schmidt). 153<br />
Solches Denken zwingt niemand, weil er selbst – nicht bloß<br />
räsonieren, son<strong>der</strong>n – sich einlassen muss: "Ich kann ja nicht das,<br />
was nur vom Denken des an<strong>der</strong>n abhängt, jemandem aufdrängen,<br />
<strong>der</strong> selbst teilnahmslos bleibt." 154<br />
Das Ich ist ein Wesen, "das zweifelt, einsieht, bejaht, verneint,<br />
will, nicht will..." 155 Also ein Wesen geistiger Vollzüge.<br />
Deren Kern aber ist ein Behaupten (ihrer selbst wie entsprechen<strong>der</strong><br />
Implikationen). 156 Und behaupten bedeutet, einen Wahrheits-Anspruch<br />
erheben. Dies aber geschieht in einer eigentümlichen<br />
Umkehrbewegung: Im Anspruch auf Wahrheit unterstellt<br />
<strong>der</strong> Sprecher seinerseits sich dem Anspruch <strong>der</strong> Wahrheit.<br />
Damit stellt das Denken selbst sich selbst in Frage – im Licht<br />
<strong>der</strong> Wahrheit: Zwar kann es offenbar nicht an<strong>der</strong>s als so denken,<br />
wie es denkt. Doch was, wenn es <strong>der</strong> Wahrheit nicht nur unangemessen<br />
wäre – ist unser Erkennen <strong>und</strong> Denken doch wesentlich<br />
"das Insichsein seines Übersichhinausseins", "sich selbst<br />
helle Unangemessenheit ans Heilige" (Klaus Hemmerle) 157 – ,<br />
son<strong>der</strong>n (wie Theologen sag[t]en) durch <strong>und</strong> durch absurd verfälscht?<br />
158 Dass diese Frage sich meldet, "ist Zeichen dafür, dass<br />
die Wahrheit im strengen Sinne nicht erreicht ist" (Lauth, 10).<br />
Darum lässt sich sogar an <strong>der</strong> eigenen Existenz zweifeln,<br />
zwar nicht direkt im Vollzug des cogito/existo selber, sehr wohl<br />
aber indirekt, nachdem man aus diesem Vollzug herausgetreten<br />
ist – <strong>und</strong> sich dem Gedanken <strong>der</strong> Möglichkeit gegenüber sieht,<br />
von einem genius malignus getäuscht zu werden (Andreas Kemmerling).<br />
159 Evidenz schenkt so zwar höchste Gewissheit; aber<br />
_______________<br />
153 Einleitung <strong>zur</strong> Reclam-Ausgabe <strong>der</strong> Meditationes, Stuttgart 1999,<br />
10.<br />
154 2. Erwid. (182f): AT VII, 135f. Diesen Selbsteinsatz übersehen<br />
Vorschläge eines "es denkt".<br />
155 Medit. II (23): AT VII, 28.<br />
156 Eine Frage z. B. behauptet sich als solche <strong>und</strong> damit als sinnvoll;<br />
sie behauptet, dass die Situation sie rechtfertigt, zugleich das Bestehen<br />
eines Rahmens möglicher Antwort <strong>und</strong> so fort.<br />
157 K. Hemmerle, Auf den göttlichen Gott zudenken, Freiburg i. Br.<br />
1996, 118 u. 120.<br />
158 Medit. I (15); II (17f, 20f): AT VII, 22f, 24f, 26f.<br />
159 A. Kemmerling, Die Bezweifelbarkeit <strong>der</strong> eigenen Existenz, in:<br />
Descartes nachgedacht (Hg. A. Kemmerling / H.-P. Schütt),<br />
Frankfurt/M. 1996, 80-122, 100-106.