Arbeiten und Lernen - ABWF
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Wenn wir davon ausgehen, dass <strong>Lernen</strong> selbst zur Arbeit wird, selbst notwendige,<br />
d. h. im marxschen Sinne allgemeine Arbeit werden kann, mit der<br />
die erweiterte Reproduktion der Gesellschaft gesichert wird, dann deutet<br />
sich damit ein gr<strong>und</strong>legender Wandel bisherigen Arbeitsverständnisses als<br />
(mehr)wertschöpfende Tätigkeit an. Im bisherigen Verständnis erzeugte<br />
<strong>Lernen</strong> vorerst keinen Neuwert, sondern befähigte nur dazu, einen solchen<br />
im weiteren Arbeitsprozess hervorzubringen, was u. a. mit dem Begriff der<br />
komplizierten Arbeit gegenüber der einfachen Arbeit gefasst wurde. Jetzt<br />
kann das informationsverarbeitende <strong>Lernen</strong> selbst zu einer Quelle von Neuwert<br />
werden. Die Konsequenzen sind noch nicht absehbar: So wirft die Anerkennung<br />
des <strong>Lernen</strong>s als Arbeit Fragen auf nach der wertschöpfenden<br />
Funktion von Bildungsinstitutionen, nach einer neuen Arbeitsteilung der<br />
Tätigkeiten in intensiven <strong>und</strong> weniger intensiven Lernfeldern, nach der gesellschaftlich<br />
notwendigen Lernzeit als möglichem Maß des Werts des <strong>Lernen</strong>s.<br />
Insofern wird nicht nur die Ökonomie einer Repolitisierung unterworfen<br />
werden müssen, sondern auch Bildung <strong>und</strong> <strong>Lernen</strong>. Wenn die neue<br />
Lernkultur auf dem Boden einer veränderten Arbeitskultur wächst, die sich<br />
möglicherweise aus den Zwängen der Erwerbsarbeit löst <strong>und</strong> eine Diff<strong>und</strong>ierung<br />
zwischen den verschiedenen Arbeitsfeldern anstrebt, dann wird<br />
Politik auch nötige Rahmenbedingungen dafür schaffen müssen, dass aus<br />
dieser Diff<strong>und</strong>ierung Existenzmöglichkeiten <strong>und</strong> -sicherheiten erwachsen<br />
können <strong>und</strong> eine Balance zwischen Produktivität <strong>und</strong> Solidarität gewahrt<br />
wird. Die Wirtschaft wird aus bisherigen Rentabilitätsprinzipien solchen<br />
Entwicklungen nur folgen, wenn entsprechende Zwänge oder Anreize existieren.<br />
Der Glaube an eine gesellschaftliche Vernunft der Wirtschaft ist genauso<br />
fragwürdig wie an ein gesellschaftliches Gesamtinteresse, das Wirtschaft<br />
zu vertreten bereit wäre.<br />
Neue Lernkultur <strong>und</strong> Selbstorganisation<br />
In der Literatur scheint es Konsens darüber zu geben, dass Lernkulturen<br />
Handlungsorientierungen sind – Erpenbeck (1999, S. 5): systemische Ordner<br />
sozialer Selbstorganisation; Schmidt (1994, S. 243): Ausführungsprogramme<br />
von Sozietät –, die sich in chaotisch erscheinenden Lernumgebungen<br />
herausbilden <strong>und</strong> entgrenzendes menschliches <strong>Lernen</strong> steuern. Das<br />
vage Schillern des Begriffs “Kultur” drückt dabei offensichtlich eine Hoffnung<br />
auf die Definitionsmacht des Kulturellen aus. Mit “Lernkultur” verbindet<br />
sich inmitten des Auseinanderdriftens, des Entgrenzens <strong>und</strong> Fließens<br />
bisherigen <strong>Lernen</strong>s ein Ordnungsversprechen <strong>und</strong> eine Bindungsvision,<br />
die Zugehörigkeit verkünden <strong>und</strong> eine ästhetisch-ethische Instrumentalität<br />
verheißen, dass man über etwas verfügt (im Sinne von Bourdieu über<br />
ein Kapital). Lernkulturen hatten sich auch in der Vergangenheit herausge-<br />
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