Arbeiten und Lernen - ABWF

Gerald A. Straka
Denn sie wissen nicht, was sie tun –
Lernen im Prozess der Arbeit
Motivationale und organisationale Bedingungen
“Das hab’ ich mir praktisch angeeignet ...” so beschrieb ein Dachdeckergeselle,
wie er eine neue Technik in seinem Gewerk erlernte und damit seine berufliche
Handlungskompetenz auf den neuesten Stand brachte. Anlass war
ein neues Verfahren zur Abdichtung von Flachdächern. Das Neue an der von
den Dachdeckern zu bewältigenden Aufgabe bestand darin, durch Erwärmen
und Druck Folien dicht zu verbinden. Wie der Dachdeckergeselle sich diese
Technik am Bau praktisch aneignete, beschrieb er wie folgt: “Ich hatte das
[Folienschweißen mit Temperatur und Druck] noch gar nicht gemacht. Auch
nicht angeguckt. Ich (...) hab’ mir das praktisch angeeignet. Hab’ das ausprobiert
mit dem Föhnautomaten, die Temperatur eingestellt, geguckt ob das
zu heiß oder zu kalt war (...); die Naht durch Anheben mit dem Fingernagel
oder einem spitzen Gegenstand überprüft. (...) Hab’ immer wieder nachgecheckt,
hochgezogen und gesehen. Als es zusammen war, war es zusammen
(...) Ich wusste ja, wie das aussehen sollte.” (Straka/Zschüntzsch 1999).
Ein anderes Beispiel für das Lernen im Prozess der Arbeit stammt aus dem
Wirtschaftsmodellversuch “Forschungs- und Entwicklungsprojekt Lernen
von Arbeitnehmer/-innen in der zweiten Lebenshälfte durch selbstgesteuertes,
individualisiertes Lösen komplexer arbeitsplatzbezogener Problemstellungen
mittels EDV-Software” (FESILI), den wir zusammen mit dem Bildungszentrum
der Wirtschaft im Unterwesergebiet (BWU) von 1989 bis
1993 durchführten. In ihm wurden zur maßgeschneiderten Entwicklung einer
Bildungsmaßnahme von der Forschungsgruppe Lernen, Organisiert und
Selbstgesteuert (LOS) Art und Umfang selbstorganisierten Lernens erhoben.
Zentrales Ergebnis unserer Untersuchung ist, dass die befragten kaufmännischen
Angestellten sich nach ihrer eigenen Einschätzung zu etwa zwei Drittel
auf eigene Faust und zu einem Drittel mit vom Betrieb aus organisierten Bildungsangeboten
weiterqualifiziert hatten (Straka et al. 1992). Unser Ergebnis
lag etwas über den, zu jener Zeit vom Berichtssystem Weiterbildung
(BSW) ermittelten 25 Prozent für formelle berufliche Weiterbildung (BSW
1991); d. h. überspitzt formuliert stellt die formelle berufliche Weiterbil-
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