Arbeiten und Lernen - ABWF
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nicht staatlich gestützte Wissenschaftskultur könnte durchaus eine zukünftig<br />
für Gesamtdeutschland bedeutsame Form der Wissenschaftsproduktion <strong>und</strong><br />
-kommunikation darstellen. Eine solche Entlastung oder Entsorgung des<br />
Staats zugunsten des öffentlichen Citoyens wird allerdings wieder staatlicher<br />
Rahmenbedingungen bedürfen. Eine solche Aussage plädiert insofern<br />
auch dafür, dass gerade damit sich eine neue Lernkultur herausbilden kann,<br />
die lenkende <strong>und</strong> steuernde Intervention des Staats gegenüber der Wirtschaft<br />
gewahrt werden muss. Die Kräfte des Markts werden allein die neue Lernkultur<br />
nicht (ein)richten so wie auch eine lernförderliche Sozialgesetzgebung<br />
oder eine ebensolche Strukturierung des sozialen Umfelds nicht die individuelle<br />
Initiative <strong>und</strong> individuelles Engagement ersetzen können. Die neuen<br />
Lernkulturen werden sich nur in der Einheit von objektiver Strukturierung<br />
<strong>und</strong> subjektiver Gestaltung herausbilden.<br />
Die subjektive Konstruktionsleistung, mit der das Individuum seine Umgebung<br />
als Lernfeld begreift <strong>und</strong> gestaltet, wird wesentlich durch seine Kompetenz<br />
<strong>und</strong> Motivation zur Selbstorganisation seines <strong>Lernen</strong>s bestimmt, beide<br />
jedoch sind Resultat biographischer Sozialisation. Unter dieser Sicht sei auf<br />
zwei Momente in der Herausbildung neuer Lernkulturen verwiesen, die abseitig,<br />
vielleicht sogar abwegig erscheinen <strong>und</strong> aus meinen Beobachtungen<br />
des <strong>Lernen</strong>s im sozialen Umfeld resultieren.<br />
Familiale Lernkultur<br />
Kaum scheint es noch umstritten, dass Schule einen Gr<strong>und</strong>kanon von Kulturtechniken<br />
zu entwickeln hat, in dem die Kompetenz zum selbständigen <strong>Lernen</strong><br />
eine Basiskompetenz darstellt. Es sollte nur zugleich auch gesehen werden,<br />
dass das Kind mit dem Eintritt in das Schulleben schon eine entwickelte<br />
differenzierte Lernkompetenz <strong>und</strong> individuelle Lernkultur mitbringt, die<br />
sich in der Familie herausgebildet haben <strong>und</strong> weiterhin dort entfalten. Ob <strong>und</strong><br />
wie in der Familie Zeitungen gelesen, über Bücher reflektiert, gegenseitige<br />
Umgangsformen ausgehandelt werden, bildet eine elementare Gr<strong>und</strong>form<br />
von Lernkultur, die ihren Wert aus den Beziehungen zwischen den Generationen<br />
<strong>und</strong> aus deren gemeinsamem Tun schöpft. Nachahmen, Mitvollzug,<br />
Beobachten bilden Lernprozesse in der familialen Sozialisation <strong>und</strong> bürgerliche<br />
wie auch proletarische Lernkulturen haben sich wesentlich über diesen<br />
Weg als jeweiliges kulturelles Kapital (Bourdieu) reproduziert, einschließlich<br />
der “feinen Unterschiede” zwischen den sozialen Schichten. Lebenslanges<br />
<strong>Lernen</strong> beginnt in diesem Sinne in den ersten Kinderjahren in der Familie,<br />
in denen sich Selbstvertrauen in die eigene Lernfähigkeit <strong>und</strong> Selbstanspruch<br />
an die eigene Lernbereitschaft herausbilden. Auch im weiteren Lebensverlauf<br />
bildet die Lernkultur in der Familie immer wieder eine Ressour-<br />
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