"Fremdhäßige", Handwerker & Genossen - Johann-August-Malin ...

hunderts· und mit ihnen alle Aufzeichnungen schon vor der Zeit unter.
Einen Ausweg aus diesem Dilemma bietet die von der halbamtlichen
'Vorarlberger Landes-Zeitung' vierteljährlich veröffentlichte
Liste der Überstundenbewilligungen, die jeweils auch den Gesamtarbeiterstand
der betreffenden Fabrik nannte. Da kaum ein größeres
Vorarlberger Unternehmen ohne gelegentliche Verlängerung des gesetzlich
vorgeschriebenen 11-Stundentages auskam, bieten diese
Quartalsberichte eine ebenso ergiebige wie zuverlässige Quelle.
Die Reduktion der Textilarbeiterschaft auf eine gewerkschaftspolitisch
relevante Kerngruppe von rund 9.000 Personen (vgl. Anhang,
Tabelle 2) ergibt nunmehr folgende Werte: 1910 hatte die
Union landesweit 1,9 Prozent der potentiell Organisierbaren als
Mitglieder gewonnen. Grenzt man die Stadt Dornbirn aus, in der
dieser Satz mit 4,7 Prozent weit höher lag, so sinkt die Quote auf
1,1 Prozent. Zum Vergleich: Der freigewerkschaftliche Organisationsgrad
der Vorarlberger Arbeiterschaft insgesamt stand damals 117
bei 3,5 (inklusive Berufsklasse Textil)436 und 6,8 Prozent (exklusive
Berufsklasse Textil).437 Völlig anders schaute es hingegen bei den
Eisenbahnern aus. Dort gehörte um 1910 jeder dritte (34,9 %)438
dem Allgemeinen Rechtsschutz- und Gewerkschafts-Verein für
Österreich an. 439
Im großen und ganzen war die Situation der Genossen und Genossinnen
im 'Ländle' somit schlichtweg eine Katastrophe: Das
Proletariat konnte der "idyllischen Ruhe, die inmitten der Fabriksschlote
herrschte e)", 440 nicht entrissen werden. Im Gegenteil. Die
kleinen sozialistischen Kolonien der Region lebten in ständiger
Gefahr, die wenigen Positionen, die sie erobert hatten, wiederum
zu verlieren.
"Langsam, sogar sehr langsam geht es vorwärts in der Arbeiterbewegung",
beklagte sich im Jahre 1909 ein Bregenzer Sozialist. "Ist
eine Anzahl Steine zu einer Schutzmauer gegen Überflutung durch