"Fremdhäßige", Handwerker & Genossen - Johann-August-Malin ...

Als kleiner Nachtrag zur Wahrheitsfindung soll hiemit niedergelegt
sein, daß Hermann Leibfried tatsächlich über einen jüdischen Heimatschein
verfügte. Wie er sich für die Gerichtsverhandlung eine
zweite, 'bereinigte' Fassung beschaffen konnte, ist nicht mehr zu
eruieren.
Für den Juni 1911 waren wiederum Reichsratswahlen ausgeschrieben.
Der Wahlkampf wurde von den Sozialisten noch intensiver
vorbereitet als bei bisherigen Urnengängen und auch schärfer
denn je geführt. 277 Durch einWahlbündnis mit den Liberalen sahen
die 'Sozi' eine realistische Möglichkeit, ihrem Intimfeind Karl
Drexel das Mandat abzunehmen. Dieser versuchte daher, den ungefährdeten
Landgemeindewahlkreis Bludenz-Montafon, der traditionellerweise
dem langgedienten Abgeordneten Martin Thurnher zustand,
zugesprochen zu bekommen. Allein, "der Alte"278 ließ das
nicht zu, und Drexel mußte in der unsicheren Städtekurie antreten.
Im Hauptwahlgang verfehlte er dann auch die absolute Mehrheit 73
um fünf Prozent. Somit war eine Stichwahl erforderlich, und die
Sozialisten hatten das erste Wahlziel erreicht. Bereits dieses Erfolgserlebnis
entschädigte für viele von Dr. Drexel zugefügte
Schlappen: Spottreime wurden gedichtet und in Gasthäusern rezitiert:
"Zur Stichwahl am 20. Juni!
o weh, der große Volkstribun
Ist in die Stichwahl kommen,
Wie schnöd' ließ ihn sein Glück im Stich
Zum Schrecken aller Frommen.
Die roten Hunde wohl zumeist
Sind schuld an seinem Falle,
Mit ihrer Agitation,
Der Teufel hol sie alle.