"Fremdhäßige", Handwerker & Genossen - Johann-August-Malin ...

dürfen".505 Die 'verschiedenen Gründe' lassen sich in einem zu­
sammenfassen: Der Sozialismus zählte unter den Handwerkern der
Stadt bereits so viele Anhänger, daß die Meister die Bedürfnisse
und Forderungen der Gesellen schlichtweg nicht mehr ignorieren
konnten - zumal mancher selbständige Handwerker heimlich eben­
falls zu den Sozialdemokraten gehörte. So mußten vier Jahre später
die Konservativen mit Schrecken feststellen, daß der eine oder an­
dere Bregenzer Meister sogar auf seine Gesellen massiven Druck
ausübte, den Proletarier-'Feiertag einzuhalten, das heißt, "Arbeiter,
die arbeiten wollten, gar nicht arbeiten"506 ließ.
Im Unterschied zum Bildungsverein ging die Gesellensektion
der Genossenschaft der handwerksmäßigen Gewerbe in Bregenz,
um wieder auf den 1. Mai des Jahres 1890 zurückzukommen, ener­
gischer vor. Es gelang der sozialistischen Fraktion in dieser Kör­
perschaft, die eigentlich gar keine allgemein-politischen Agenden
zu betreuen gehabt hätte, zwar angesichts der unübersehbaren 141
Drohgebärden des Staates nicht, eine Forderung nach genereller
Arbeitsruhe durchzusetzen. 507 Als Komprorniß zwischen den Radi-
kalen und Gemäßigten konnte aber ausgehandelt werden, am
Abend des 1. Mai eine außerordentliche Hauptversammlung mit
der Tagesordnung 'Der achtstündige Arbeitstag' durchzuführen.
Zum Leidwesen der Genossen verbot dann allerdings die Behörde
diese Veranstaltung. Ersatzweise referierte der Uhrmachergeselle
Bartels beim nächsten regulären Monatstreff am 17. Mai über das
beschlossene Thema. 508
So ist es der genossenschaftlichen Organisation der Handwerker
zu danken, daß dieser erste, von staatlicher Machtdemonstration
geprägte 'Tag der Arbeit' in Bregenz auch positive Spuren hinter­
lassen hat.
In den folgenden Wochen und Monaten erhielt die Bewegung
Zulauf von neuen Sympathisanten, die sich von der mutigen Vor-