"Fremdhäßige", Handwerker & Genossen - Johann-August-Malin ...

2.3. AUFSCHWUNG MIT DEN STICKERN
Die sozialdemokratische Bewegung in Höchst
Die wirtschaftliche Struktur der Gemeinde - ausschließlich von
Landwirtschaft und Stickerei dominiert - bildete für die Entstehung
und Entwicklung der lokalen Bewegung einen denkbar ungünstigen
Boden. In den 1870er und 1880er Jahren bekannten sich nur Einzelpersonen
heimlich zur Sozialdemokratie. Aktenkundig wurde der
Fall des Schneidergesellen Xaver Brunner, den das Schwurgericht
Feldkirch 1881 "wegen sozialdemokratischer U mtriebe"685 zu neun
Monaten Kerker verurteilte. Vier Jahre später scheint Brunner "den
Schmuggel sozialrevolutionärer Flugschriften unzweifelhaft wieder
fortgesetzt zu · haben, indem derselbe schon wiederholt des
Nachts ... von Finanzwachpatrouillen unter sehr bedenklichen Umständen
am Wege nach und von der Schweiz"686 gesehen wurde.
Xaver Brunner bewies als 'roter Postillion' offensichtlich eine be- 191
sonders glückliche Hand: Trotz intensiver Überwachung wurde er
nie auf frischer Tat ertappt.
Wiederum einige Jahre später, am 6. August 1893 - einen Monat
nach der denkwürdigen Zusammenkunft im Harder 'Adler'­
Saal, bei der auch der Höchster Pfarrer erfolglos seine warnende
Stimme gegen die sozialistischen Agitatoren Coufal und Leimgruber
erhoben hatte - , fand in der Gemeinde erstmals eine linke
Wanderversammlung statt. Haupttagesordnungspunkt war, wie gehabt,
das allgemeine Wahlrecht; die entsprechende Resolution fand
auch hier eine überwältigende Mehrheit. 687
Die Genossen deuteten den überraschenden Anfangserfolg als
Durchbruch der Bewegung und behaupteten in kühner propagandistischer
Übertreibung; daß so viele Bürger den Beitritt zur Sozialdemokratie
erklärten, "daß die mitgenommenen Mitgliedskarten
bei weitem nicht ausreichten". 688