"Fremdhäßige", Handwerker & Genossen - Johann-August-Malin ...

"Frastanz - Wilder Streik. Wir sind es bald gewohnt, daß in der
Textilfabrik earl Ganahl von Zeit zu Zeit die Arbeiterschaft den
Krempel hinwirft und nach ein paar Tagen die Arbeit wieder aufnimmt,
wenn der Gewerbeinspektor und die Herren Ganahl den
Arbeitern schöne Worte und billige Versprechungen gegeben haben.
Die Arbeiterschaft, in der Mehrzahl italienische und deutsche
Arbeiterinnen, ist nicht organisiert; viele wollen von der Gewerkschaft
absolut nichts wissen, aber streiken tun sie doch. "1171
Den wilden Streiks entsprachen auf einer anderen Ebene die vielfach
gut besuchten Agitationstouren italienischer Kadersozialisten.
Berichte über volle Säle verführen leicht dazu, die These von einer
italienischen Dominanz in der Vorarlberger Sozialdemokratie bestätigt
zu sehen. ll72 Es ist jedoch äußerst fragwürdig, den - gemessen
an der sonstigen politischen Mobilisierung der Migranten -
guten Besuch von italienischen Wanderversammlungen als Beleg
328 und Gradmesser für Organisierung heranzuziehen, zumal den einzelnen
Agitationstouren nie eine Stabilisierung der politischen
Organisationen der Arbeitsmigranten folgte.
Das 'popolo abandonato', das verlorene Volk, wie sich die Migranten
selbst nannten, das tagtäglich in der einen oder anderen
Form darauf gestoßen wurde, im 'Gastland' völlig unerwünscht zu
sein, nahm jede Gelegenheit einer Verdichtung ethno-sozialer
Identität in der Fremde - wie sie in den Versammlungen, vor allem
aber auch in den sogenannten Italienermissionen der Kirche geboten
wurde - dankbar an.
Es muß an dieser Stelle erwähnt werden, daß die Zuwanderer
als meist gebürtige Trentiner und somit österreichische Staatsbürger
zwar theoretisch das Recht besaßen, sich autonom zu versammeln.
In der Praxis jedoch war davon kaum die Rede. Und wenn,
dann riefen die Einwanderer damit einen Sturm der Entrüstung unter
den Einheimischen hervor. In Bregenz zum Beispiel wagte es