"Fremdhäßige", Handwerker & Genossen - Johann-August-Malin ...

"Das sind doch unhaltbare Zustände. Unsere Partei gilt viel
in Vorarlberg, und genaugenommen - organisatorisch - ist
sie nichts! "214
Das waren keine beiläufigen, etwa in einer düsteren Stunde geschriebenen
Worte; sie charakterisierten den Zustand, der die Bewegung
von ihren Anfängen in den 1870er Jahren bis zum Ende
der Monarchie, also fast ein halbes Jahrhundert, kennzeichnete.
Die großen politischen Offensiven der Reichs-SDAP konnten von
der Vorarlberger Partei bestenfalls publizistisch unterstützt werden.
Auch für eine nur ansatzweise Mobilisierung breiterer Bevölkerungsschichten
reichten die Kräfte bei weitem nicht aus. Als Beispiel
sei der Kampf um das allgemeine Wahlrecht herausgegriffen,
der in Vorarlberg über Standardversammlungen nicht hinauskam.
Zum Vergleich: In Innsbruck zogen am 24. Oktober 1905 "an die
12.000 Menschen ... in einem gewaltigen, von den Buchdruckern
angeführten Demonstrationsmarsch zum Landhaus".215 Im 'Länd- 57
le' -Äquivalent Dornbirn hingegen konnte man nach einer einschlägigen
Veranstaltung lediglich mit einer spontanen Demonstration
von ein paar Dutzend Genossen zur Villa des Landeshauptmannes
aufwarten. Ein Korrespondent des sozialistischen Parteiorgans berichtete
von diesem geradezu putzigen Wahlrechtskampf auf vorarlbergisch:
"Nach der Versammlung, die unter dem Schutze von 2 Gendarmen,
1 Regierungsvertreter und 1 Gemeindepolizisten tagte [echt russisch!],
gab es auf der Straße eine kleine Demonstration für das
allgemeine Wahlrecht. Unserem allmächtigen Regenten, dem
Landeshauptmann Adolf Rhomberg, wurde eine kleine Anzahl
Wünsche ins Ohr gerufen. Die Gendarmerie postierte sich vor
dem Hause des Allgewaltigen, damit ihm ja nichts geschehe.
Vor dem 'Rößle' löste sich der Zug unter Hochrufen auf das
Wahlrecht auf. Die Gendarmen waren sehr geschäftig, um die
einzelnen Trupps zu verfolgen. "216