"Fremdhäßige", Handwerker & Genossen - Johann-August-Malin ...

1.5. FRAGILE KONJUNKTUR (1906-1911)
Nach der erfolglosen Schuhmeier-Offensive vom Jänner 1905 sollte
es noch gut ein Jahr dauern, bis sich die Bewegung so weit stabilisiert
hatte, daß eine neue Phase in Angriff genommen werden
konnte. Im Februar 1906 206 - nach 25monatigem Interregnum -
übernahm der zweite Partei- und Gewerkschaftssekretär Vorarlbergs,
der TischlergeselleEduard Ertl, sein Amt. 207
Zunächst allerdings hatte es noch heftige innerparteiliche Streitereien
gegeben, an welche Stadt das Sekretariat vergeben werden
solle. Nach dem Bregenzer Mißerfolg kam praktisch nur Dornbirn
in Frage, denn die Ortsgruppen von Feldkirch und Bludenz waren
- sah man es realistisch - einfach zu schwach. Die Wunden der
Pechota-Affäre schmerzten trotz der inzwischen verstrichenen Zeit
noch so stark, daß sich zunächst viele gegen eine solche Entscheidung
auflehnten.
Von allen Seiten bekamen die Dornbimer Genossen auf dem 55
außerordentlichen Landesparteitag zu Weihnachten 1905 zu
"hören, daß · gegenüber Dornbirn von der Pechota-Geschichte her
ein gewisses Mißtrauen vorhanden sei, daß auch der neue Sekretär
von den Dornbirnern auf Abwege gebracht werden"208 . könnte.
Worauf diesen der Kragen platzte, weil - so Hermann Leibfried -
auch in deren Adern "kein Fischblut"209 floß. Letztlich setzte sich
trotz aller Animositäten die einzig vernünftige Lösung durch:
Dornbirn wurde erneut Sitz des Sekretariates.
Die Emotionen, die auf dem Parteitag so hoch gegangen waren,
erwiesen sich im nachhinein als unnötig. Eduard Ertl, der 'rote
Edi', wie er aufgrund von Haarfarbe und politischer Überzeugung
bald genannt wurde, zeigte ein zu Franz Pechota völlig unterschiedliches
Profil. Er zeichnete sich durch Integrität, unbeugsamen
Arbeitswillen und Handfestigkeit aus - Tugenden, die der zu
Streit und Hader neigenden Partei zu großem Vorteil gereichten.