"Fremdhäßige", Handwerker & Genossen - Johann-August-Malin ...

ezogen. Diese Feststellung hat vor allem für die Textilarbeiter
Gültigkeit. Die Textilindustrie diente während des gesamten
19. Jahrhunderts den meisten Arbeitern lediglich als kurzzeitliche
Nebenverdienstquelle. "445
Außerdem stand - wenn alle Stricke rissen - die Möglichkeit einer
zeitweiligen Auswanderung in die 'reiche' Schweiz offen. Das regionale
Wirtschaftsgefüge bot somit selbst in schwierigen Zeiten
eine Reihe von ökonomischen Nischen, die einer proletarischen
Klassenbildung höchst abträglich waren. 446 Das fand selbst in den
Werbebroschüren . der jungen Fremdenverkehrsbranche seinen Nie­
derschlag. Ein Beispiel aus der 'Gartenstadt' Dornbirn:
"Auch gibt es kein Proletariat. Die Arbeiterfamilien treiben meist
zugleich Landwirtschaft, und auch jene, bei welchen dies nicht der
Fall ist, wohnen großteils in eigenen, hübschen, mit Gärten umgebenen
Häuschen - es gibt kein Arbeiterviertel in Dornbirn, sowe-
120 nig als einen schroffen Klassenunterschied. "447
In diese Einschätzung war zweifellos eine gehörige Portion Ideologie
miteingeflossen, und die Dornbirner Sozialdemokraten wehrten
sich gegen die seit damals tradierte Gartenstadt'-Metapher mit Händen
und Füßen. 448 Ein wahrer Kern kann dieser Charakterisierung
jedoch nicht abgesprochen werden. Selbst wichtige Funktionäre der
örtlichen SDAp 449 führten neben ihrem Hauptberuf eine Landwirt­
schaft und wiesen bei passender Gelegenheit auch gerne darauf hin.
So kam es in einer Dornbirner Gemeindeausschußsitzung im Jahre
1910 zu einer hitzigen Debatte, als einige christlichsoziale Bauernvertreter
die Hauptschuld an der damals grassierenden Teuerung
dem Umstand zuschrieben, "daß heutzutage niemand mehr 'bura'
wolle".450 Ein Wort gab das andere, bis "Freund Huber von der
Müllergasse (den) Genossen zu(rief): 'Ihr went bloß net schaffe!"'451
Da war Altlandesvertrauensmann Josef Anton Dünser, Fa-