"Fremdhäßige", Handwerker & Genossen - Johann-August-Malin ...

nimmst, wohl zu würdigen und verspreche Dir feierlich, Dir ein
getreuer Schützer zu werden. "183
Frau J. schwieg, und der Sekretär war vorläufig gerettet. Pechota
- dessen Name vom Volksmund sofort zu 'Pech hota' verballhornt
wurde - spekulierte offensichtlich mit der Möglichkeit, daß sich
die Geliebte später wieder beruhigen und ihm somit der Kopf aus
der Schlinge gezogen werde. Allein, J. forderte bereits nach wenigen
Wochen die Einlösung des Versprechens.
Pechota wußte sich nun keinen anderen Rat - er war, wie aus seinen
Briefen unschwer abzulesen, mit den Nerven total am Ende - ,
als sich durch eine Kohlengasvergiftung das Leben zu nehmen. 184
Landesvertrauensmann Hermann Leibfried wurde von ihm
mündlich davon in Kenntnis gesetzt und angewiesen, den Freitod
als bedauerlichen Unfall zu deklarieren. Da die Fenster seiner Bregenzer
Wohnung jedoch nicht dicht genug schlossen, erwachte
Pechota am Abend des folgenden Tages aus seiner Ohnmacht und
floh mit J. zu Pastor Pflüger nach Zürich. 185 Nun kam alles ans
Licht. Der Skandal war perfekt.
"Es ist zum Wahnsinnigwerden! " schrieb Landesvertrauensmann
Leibfried in tiefer Resignation nach Wien. "Hier in Dornbirn ist
die Mehrzahl der Genossen ganz verzweifelt, und Massenaustritte
aus der Parteiorganisation, hauptsächlich einheimischer Genossen,
wurden bereits angekündigt. "186
Die Geschichte vom Sekretär und seinen zahlreichen Geliebten
mag heute möglicherweise nur mehr Kopfschütteln hervorrufen.
Angesichts der rigiden Sexualmoral jedoch, die damals und noch
lange Zeit später in Vorarlberg herrschte, wird die Katastrophe, in
die sich der 'lüsterne Franz' hineinmanövriert hatte, durchaus verständlich.
In den frühen 1890er Jahren gehörte die Vorstellung von
sozialdemokratischer 'freier Liebe' zum propagandistischen Stan-
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