"Fremdhäßige", Handwerker & Genossen - Johann-August-Malin ...

Auch der nächste Partei- und Gewerkschafts sekretär, der Wiener
Tapezierer Anton Linder, wurde im Lauf seines späteren Lebens
ein "guter Vorarlberger" ,336 obwohl ihm die Christlichsozialen die­
sen Status vehement absprechen wollten. 337
Anton Linder 338 hatte,. als er Anfang 1914 seinen Posten in
Dornbirn antrat, bereits eine bewegte politische Vergangenheit hinter
sich,. über die die Partei später den Mantel des Schweigens breitete.
Entgegen der offiziellen Lesart war Linder bis etwa zu seinem
30. Lebensjahr Anarchist gewesen, der in scharfer Opposition zur
sozialdemokratischen Zweiten Internationale stand. Unter anderem
gründete er 1909 in Zürich eine Sozialistisch-revolutionäre Liga
der Schweiz und vertrieb nach eigener Angabe eine Reihe von anarchistischen
Schriften. 339 Auf Beschluß des Schweizer Bundesrates
vom 20. Jänner 1911 wurde der Tapezierer, der "seinen Aufenthalt
in der Schweiz zu anarchistischer und antimilitaristischer Propaganda
mißbraucht"340 hatte, aus der Eidgenossenschaft ausgewie- 91
sen. Die Abschiebung Linders stellte für die Schweizer Behörden
offensichtlich keine Routineangelegenheit dar, da der Ausweisungsbeschluß
samt Steckbrief und Polizeifoto auf der Titelseite
der nächsten Nummer des 'Schweizer. Polizei-Anzeigers' - zur
dringenden Kenntnisnahme aller staatlichen Überwachungsorgane -
erschien. 341 Anton Linder hütete sich allerdings, den Boden der
Eidgenossenschaft wieder zu betreten. Er ließ sich in Innsbruck
nieder, wo er seinen Radikalismus ablegte und sich zum Sozialde­
mokraten wandelte.
Im Sommer 1913 wurden die Vorarlberger Sozialisten auf den
begabten Genossen aufmerksam und zogen erstmals eine Anstellung
als Partei- und Gewerkschaftssekretär in Erwägung. Für ihn
sprach vor allem seine Rednergabe, und - ein Novum unter den
Sekretären - er konnte auch Italienisch. Nach halbjährigem Verhandeln
mit Partei- und Gewerkschaftsleitung in Wien war Anfang