MIGRALTO - Integration
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«<strong>MIGRALTO</strong> – Partizipatives Modell für aktive Bürgerschaft von älteren MigrantInnen»<br />
2.3.3 Forschungsstand zu älteren MigrantInnen<br />
Innerhalb der Forschungsliteratur zu Migration und <strong>Integration</strong> sind ältere Menschen und ihre<br />
Lebenssituationen bis anhin ein eher marginales Thema. In England - mit seinen auf die Kolonialzeit<br />
zurückgehenden grösseren ethnischen Minderheiten - wird Altern unter anderem auch in Verknüpfung<br />
mit „Ethnicity“ untersucht. So erstaunt es nicht, dass auch die Initiative für eine Länder vergleichende<br />
Studie in Europa mit dem Titel „Minority Elderly Care in Europe: Country Profiles“ (Patel, 2003) von<br />
England ausging. In zehn europäischen Ländern – darunter die Schweiz – wurde untersucht, welche<br />
sozialen und gesundheitlichen Bedürfnisse ältere Menschen mit einem Migrationshintergrund oder mit<br />
einer ethnischen Minderheitenzugehörigkeit haben und mit welchen Dienstleistungsmodellen diese am<br />
besten zu decken seien. In Deutschland hat sich vor allem Dietzel-Papakyriakou (1990, 1993, 2005)<br />
mit älteren Migrantinnen und Migranten befasst. Auch sie hat ihren Fokus auf die Rolle, welche die<br />
„Ethnizität“ für MigrantInnen im Alter spiele, gerichtet und in mehreren Artikeln die Frage diskutiert, ob<br />
sich Ethnizität als Ressource oder Belastung für die Lebensgestaltung im Alter erweise. Einerseits<br />
beobachtete sie die Tendenz zum Rückzug älterer MigrantInnen in ihre eigenen ethnischen Gruppen<br />
im Sinne eines – gerontologisch konzipierten – „disengagements“ (Cumming & Henry, 1961) von der<br />
Mehrheitsgesellschaft. Sie spricht in diesem Zusammenhang von der „ethnischen Insulation“. Genau<br />
diese verstärkte Binnenintegration (vgl. das Konzept von Elwert, 1982 in Kapitel 2.5) im Alter sei<br />
anderseits auch eine Ressource und könne zum Potenzial für die Lebensgestaltung im Alter werden.<br />
Dazu äussert sie sich wie folgt (2005, S. 397): „Geht man von der Annahme aus, dass das Alter in<br />
einem Lebenskontinuum zu sehen ist, dann prägt die Migration als zentrale Lebenserfahrung den<br />
Alternsprozess mit. Jede Kultur bildet in ihren religiösen Systemen und Weltauffassungen für das Alter<br />
Leitmotive und Bewältigungsstrategien aus. Ältere Migranten, die bis zum Erwachsenenalter im<br />
Herkunftsland sozialisiert worden sind, greifen auf diesen kulturellen Fundus von Altersbildern zurück.“<br />
Sie vertritt die Ansicht, dass ältere MigrantInnen vor diesem Hintergrund in Wechselwirkung mit ihrer<br />
aktuellen Umgebung spezifische Potenziale entwickeln. Sie kritisiert dabei die Mehrheitsgesellschaft,<br />
in ihrem Falle Deutschland: „Häufig behindern jedoch undifferenzierte, klischeehafte Darstellungen<br />
von Migranten die Wahrnehmung solcher Potenziale“ (ebenda).<br />
Dietzel-Papakyriakou weist wiederholt darauf hin, dass in der sozialgerontologischen Arbeit mit älteren<br />
MigrantInnen nebst den auch für die einheimische Altersbevölkerung gültigen Faktoren wie<br />
Berufsbiografie, Schichtzugehörigkeit, Gesundheitsstatus, materielle Situation, etc. das ethnische<br />
Orientierungssystem zu berücksichtigen sei: „So hat das chronologische Alter von 65 Jahren nicht für<br />
alle Populationen die gleiche Bedeutung. Bei den Arbeitsmigranten tritt z.B. das psychosoziale Alter<br />
viel früher als das chronologische ein. Denn sie orientieren sich in ihren Lebensphasen an eigenen<br />
ethnisch-kulturellen Alterspassagen, die früher eintreten; so etwa an der früheren Grosselternschaft<br />
oder an dem früheren Berentungsalter im Herkunftsland. Alter bedeutet eine intensive Identifikation<br />
mit der ethnischen Kultur“ (1993, S. 468).<br />
An diesem Ansatz dominanter Fokussierung von Ethnizität im Alter kritisieren wir, dass Ethnizität<br />
essentialistisch und als ein statisches, unveränderliches Konzept definiert wird, das sich bis ins Alter<br />
als solches aufrechterhält. In diesem Sinne bleibt auch im Alter als einzige Orientierungs- und<br />
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