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Geschichte der Königlich Preussischen ... - Warburg Institute

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848 Die Akademiker im Zeitalter Friedrich Wilhelm's III.<br />

Wirklicher Vertreter <strong>der</strong> Philosophie ist also nur Schleier-<br />

MACiiER gewesen, aber man darf zugleich von ihm sagen, dass er<br />

in den Jahren 1815-1834 <strong>der</strong> philologischen Klasse <strong>der</strong> Akademie<br />

den Stempel seines Geistes aufgedrückt hat. Sein Name müsste<br />

genannt werden, wenn man für jene Epoche in <strong>der</strong> Geschiclite<br />

jener Klasse einen Heros eponymos erwählen wollte; denn sowohl<br />

ihre wissenschaftliche Auffassung als ihre Arbeitsweise ist ganz we-<br />

sentlich von ihm bestimmt worden. Nicht als <strong>der</strong> Begrün<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />

mo<strong>der</strong>nen Theologie, noch weniger als <strong>der</strong> Stifter <strong>der</strong> evangelischen<br />

Union kommt er für unsere <strong>Geschichte</strong> in Betracht, wohl<br />

aber als <strong>der</strong> umsichtigste und feinsinnigste Philosoph nach Kant,<br />

als <strong>der</strong> grosse Interpret Plato's und als <strong>der</strong> Meister <strong>der</strong> Interpre-<br />

behaupten. Es ward veihängnissvoll für eine späte Zukunft, dass auch Königin<br />

LrisE und <strong>der</strong> Freiherr vox Stein sich durch den erschlichenen Ruhm des glatten<br />

Halbfranzosen blenden Hessen und ihm die Erziehung des jungen Thronfolgei'S<br />

anvertrauten. So gerieth <strong>der</strong> verschwen<strong>der</strong>isch begabte, aber phantastische und<br />

eigenwillige Geist des Prinzen, <strong>der</strong> vor allem einer strengen Zucht und <strong>der</strong> Beleh-<br />

rung über die harte Wirklichkeit des Lebens bedurfte, unter die Leitung des ciiarakterlosen<br />

Schönredners, <strong>der</strong> selber kaum fühlte, wie viel von seinem Thun <strong>der</strong> an-<br />

geborenen Furchtsamkeit, wie viel <strong>der</strong> weltklugen Berechnung entsprang. Seitdem<br />

wurde Ancillon auch zu den politischen Berathungen öfters zugezogen und schrieb<br />

nun unermüdlich mit seiner schwunglosen, verkniffenen kleinen Gelehi'tenhand eine<br />

Masse von Denkschriften — breite Betrachtungen ohne Kraft und Schneide, die<br />

allesammt ebenso leer wie seine Bücher doch immer den Eindruck erregten, als<br />

ol) sich ein tiefer Sinn hinter dem Wortschwall verbärge. Durch ihn ward die<br />

Kunst, hohle Worte zu einem glitzernden Gewebe zu verknüpfen, zuerst in die<br />

preussische Politik eingeführt. Von Haus aus ein Freund <strong>der</strong> Ruhe und <strong>der</strong> überlieferten<br />

Ordnung hatte er im Juni 1789 zu Versailles selber mit angesehen, wie die<br />

Vertreter des dritten Standes sich die Rechte einer Nationalversammlung anmaassten<br />

und also den Stui'z des Königthums vorbereiteten. Seit jenem Tage lag ihm die<br />

Angst vor <strong>der</strong> Revolution in den Glie<strong>der</strong>n, und als das revolutionäre Weltreich<br />

endlich gefallen war, wahrlich ohne Ancili.on's Zutliun, da wendete sich <strong>der</strong> Zaghafte<br />

den Ansichten Metternich's zu und folgte gelehrig jedem Winke <strong>der</strong> Hof-<br />

burg. Geschäftig trug er die Anschuldigungen <strong>der</strong> ScHJiALzischen Schrift in <strong>der</strong><br />

Hofgesellschaft umher«. Ein günstigeres Urtheil über ihn hat nu Bois-Reymond<br />

gefällt in seiner Festrede vom 25. März 1886 (Sitzungsberichte 1886 S.324ff.): »Ein<br />

Mann ausserordentlicher Gaben, <strong>der</strong> unter günstigeren Umständen wohl eine <strong>der</strong><br />

wäre. . . . Als fi\anzösischer Schrift-<br />

ersten littcrarischen Figuren seiner Zeit geworden<br />

steller gehört er <strong>der</strong> Gruppe Chateaubriand, Benjamin Constant, Augustin<br />

Thierry an. . . . Ancillon's geschichtliche Schriften mögen dem Inhalt und <strong>der</strong><br />

Methode nach veraltet sein, doch sprachen we<strong>der</strong> Mignet, <strong>der</strong> ihm in <strong>der</strong> Academie<br />

des Sciences morales et<br />

politicpies eine Gedächtnissrede liielt, noch in seiner<br />

Biogra])hie Friedrich Wilhelji's IV. <strong>der</strong> erste lebende Historiker Deutschlands davon<br />

mit <strong>der</strong> (Jeringschätzung wie Leute, welche vielleicht keine Zeile darin lasen. Wie<br />

dem auch sei, man kann sagen, dass, wenn mit Ancillon die französische Colonie<br />

in Berlin geistig gleiclisain zu Ende ging, ihre eigenartige Bildung zugleich in ihm<br />

ihren höchsten Ausdruck fand".

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