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Arbeitshilfe - Justizakademie Nordrhein-Westfalen

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Teil III Rückgewinnungshilfe zu Gunsten von Verletzten aus Straftaten<br />

seiner Rechtsnatur nach stellt daher auch die Feststellungsentscheidung nach § 111i Abs. 2 StPO keine<br />

ausschließlich verfahrensrechtliche Regelung, sondern vor allem eine materiell-rechtliche Grundentscheidung<br />

für eine aufschiebend bedingte Verfallsanordnung zu Gunsten des Staates dar, welche dann<br />

zum Tragen kommt, wenn die vorrangigen Ansprüche der Verletzten nicht innerhalb der Frist des §<br />

111i Abs. 3 StPO geltend gemacht werden 422 .<br />

Da Feststellungstenor sowie Verlängerung des Sicherungstitels inhaltlich miteinander verknüpft und<br />

voneinander abhängig sind, scheidet auch die isolierte Verlängerung der Sicherungsmaßnahmen ohne<br />

Tenorierung nach § 111i Abs. 2 StPO aus, so dass bei einem Altfall lediglich die Verlängerung der<br />

Maßnahme nach § 111i Abs. 1 StPO erwogen werden kann 423 .<br />

Ferner kann es nur dann zum Auffangrechtserwerb nach § 111i Abs. 5 StPO kommen, wenn entweder<br />

zuvor im Ermittlungsverfahren oder aber danach spätestens bis zur Rechtskraft des Urteils Sicherungstitel<br />

nach §§ 111b ff. StPO wenigstens teilweise erfolgreich vollzogen worden sind 424 .<br />

Der Streit, ob die Feststellung nach § 111i Abs. 2 StPO im Vorfeld ausgebrachte Sicherungsmaßnahmen<br />

voraussetzt 425 oder ob es ausreichend ist, zeitgleich dazu erstmals Beschlagnahmeanordnung<br />

oder dinglichen Arrest zu erwirken und zu vollstrecken 426 , ist mehr theoretischer Natur und auf absolute<br />

Ausnahmefälle beschränkt, denn es macht kaum Sinn, einen dinglichen Arrest in dieser Phase des<br />

Strafverfahrens erst zu erwirken, aber nur bis zur Rechtskraft des Urteils vollstrecken zu können 427 .<br />

Schließlich ist bei §111i StPO auf unterschiedliche strukturelle Ebenen hinzuweisen.<br />

Zum einen ist die Anwendung nicht nur auf das subjektive Verfahren beschränkt, sondern kann<br />

auch im objektiven Verfahren zum Tragen kommen (vgl. § 111i Abs. 8 StPO).<br />

Zum anderen beinhaltet § 111i StPO zwei unterschiedliche Vorgehensweisen:<br />

o entweder nach § 111i Abs. 1 StPO die Verlängerung der Sicherungstitel um nur drei Monate<br />

im Fall der Beschränkung nach §§ 430, 442 Abs. 1 StPO oder<br />

o aber das Verfahren nach § 111i Abs. 2 bis 7 StPO zur Vorbereitung und späteren Realisierung<br />

des staatlichen Auffangrechtserwerbs.<br />

Innerhalb des § 111i Abs. 2 – 7 StPO ist desweiteren nach den einzelnen Abschnitten des Verfahrens<br />

zu differenzieren.<br />

Beide Varianten des § 111i StPO, die Verlängerung nach Abs. 1 und die „Anspruchsopferbescheidung<br />

428 “ nach Abs. 2 bis 8, stehen im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts, wobei dem Verfahren<br />

nach § 111i Abs. 2 – 8 StPO grundsätzlich der Vorzug zu geben sein dürfte, da es den Interessen des<br />

Opferschutzes, aber auch einer möglichst effektiven Abschöpfung von Hoher Hand eher gerecht wird<br />

als der reinen Verlängerung der Titel um nur drei Monate 429 bzw. der Verlagerung der Verpflichtung<br />

zur Schadenswiedergutmachung auf die Bewährungsebene 430 . Ausnahmen hierzu können sich jedoch<br />

bei komplexen Wirtschaftsstrafsachen aus dem Beschleunigungsgrundsatz ergeben 431 , der ausnahmsweise<br />

gebieten mag, nur nach Abs. 1 zu verfahren.<br />

10.3.2 Verlängerung der Sicherungstitel nach § 111i Abs. 1 StPO<br />

Die Verlängerung der Beschlagnahme oder des dinglichen Arrestes nach § 111i Abs. 1 StPO setzt zunächst<br />

voraus, dass die Maßnahme des Verfalls nach §§ 430, 442 StPO, im Ermessen der Staatsanwaltschaft<br />

bzw. des Gerichts stehend, aus dem Verfahren ausgeklammert ist, und ferner, dass die<br />

sofortige Aufhebung gegenüber dem Verletzten unbillig wäre. Letzteres ist – unter Anwendung eines<br />

eher großzügigen Maßstabs 432 - der Fall, wenn der bekannte Verletzte das ihm Mögliche und Zumutba-<br />

422<br />

BGH, Urteil vom 07.02.2008, 4 StR 502/07; Beschluss vom 19.02.2008, 1 StR 503/07; Beschluss vom<br />

16.12.2008, 3 StR 402/08.<br />

423<br />

BGH, Urteil vom 07.02.2008, 4 StR 502/07; a.A. Mosbacher/Claus, wistra 2008, 1 ff.<br />

424<br />

Vgl. hierzu auch BGH, Urteil vom 07.02.2008, 4 StR 502/07 Rn. 13 ff. – zitiert nach juris -.<br />

425<br />

Mosbacher/Claus, wistra 2008, 1 (2).<br />

426<br />

Lohse, AnwaltKommentar StPO, 2. Auflage 2010, § 111i Rn. 17 und Fn. 29.<br />

427<br />

Meyer-Goßner, StPO, 54. Auflage 2011, § 111i Rn. 10.<br />

428<br />

Begrifflichkeit nach Nack, Karlsruher Kommentar, StPO, 6. Auflage 2008, § 111i Rn. 2.<br />

429<br />

So etwa Nack, Karlsruher Kommentar, StPO, 6. Auflage 2008, § 111i Rn. 3; Lohse, AnwaltKommentar StPO, 2.<br />

Auflage 2010, § 111i Rn. 5.<br />

430<br />

Nack, Karlsruher Kommentar, StPO, 6. Auflage 2008, § 111i Rn. 3.<br />

431<br />

Nack a.a.O.<br />

432<br />

Lohse, AnwaltKommentar StPO, 2.Auflage 2010, § 111i Rn. 7.<br />

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