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Arbeitshilfe - Justizakademie Nordrhein-Westfalen

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Teil I Materielles Recht der Vermögensabschöpfung<br />

II („Unternehmens“-)Geldbuße gem. §§ 30, 130 OWiG<br />

a. Einleitung<br />

Die häufig als „Ablasshandel“ bezeichnete Möglichkeit, eine (selbständige) „Verbandsgeldbuße“ zu<br />

verhängen, spielt insbesondere bei Verfahren aus dem Wirtschaftsstrafrecht eine Rolle. Als prominente<br />

Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit gelten (Verbands-)Geldbußen, die in Millionenhöhe im Zusammenhang<br />

mit „Schmiergeldskandalen“ gegenüber dem Maschinenbau- und Nutzfahrzeugkonzern<br />

MAN (über 150 Mio. Euro) und Siemens (ca. 201 Mio. Euro) verhängt worden sind. Zu derartigen<br />

Maßnahmen kommt es darüber hinaus im Kartellrecht, bei welchem die als Blankettgesetz ausgestaltete<br />

Norm des § 81 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) einschlägig ist 237 .<br />

Dementsprechend haben auch die in diesem Bereich tätigen (Unternehmens-)Anwälte<br />

die Thematik aufgegriffen, was sich in zahlreichen Publikationen u.a. zur (präventiven)<br />

Beratung von Unternehmen niederschlägt 238 .<br />

Der Hauptzweck des § 30 Abs. 3 OWiG liegt in der Abschöpfung der durch die Straftat oder Ordnungswidrigkeit<br />

zu Gunsten der juristischen Person oder Personenvereinigung gezogenen Gewinne.<br />

Der Norm kommt zudem auch Präventivwirkung zu, als jene den diesbezüglichen Mitgliedern Veranlassung<br />

geben soll, bei der Auswahl ihrer Organe die im Geschäftsleben notwendige Vorsicht walten<br />

zu lassen 239 .<br />

b. Anwendungsvoraussetzungen<br />

(1) Täterkreis<br />

Der mögliche Täterkreis wird in § 30 Abs. 1 OWiG abschließend beschrieben.<br />

Infolge des Merkmals „vertretungsberechtigt“ in § 30 Abs. 1 Nr.1, 3 OWiG muss der Täter zum Zeitpunkt<br />

der Zuwiderhandlung als Organ, Vorstand, Vertreter oder Bevollmächtigter gehandelt haben.<br />

Erforderlich ist demgemäß, dass der Täter in Wahrnehmung der Angelegenheiten des Unternehmens<br />

oder Verbands tätig geworden ist. Hierbei kommt es allerdings weder auf den Umfang der Vertretungsmacht<br />

innerhalb der jeweiligen Gesellschaft an noch darauf, ob der Täter in Wahrnehmung seiner<br />

Befugnisse gehandelt hat oder seine Bestellung als Organ wirksam ist 240 .<br />

Besteht in einem Personenverband ein Leitungsgremium, so kann jedes aktive Tun eines einzelnen<br />

Mitglieds des Leitungsorgans den Tatbestand erfüllen; das einzelne Mitglied handelt für das Organ als<br />

Ganzes. Darüber hinaus kommt jedem betreffenden Mitglied insoweit eine Garantenpflicht zur Abwehr<br />

der nach § 30 OWiG tatbestandsmäßigen Handlungen zu 241 .<br />

(2) Straftat oder Ordnungswidrigkeit als Bezugstat<br />

§ 30 OWiG ist streng akzessorisch: notwendig ist darüber hinaus die vorsätzliche oder fahrlässige Begehung<br />

einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit, mithin eine tatbestandsmäßige, rechtswidrige und<br />

individuell zurechenbare und damit schuldhafte oder vorwerfbare Zuwiderhandlung 242 .<br />

Allerdings sollen Handlungen nach § 30 OWiG nicht der Verfolgungsverjährung nach § 31 OWiG unterliegen,<br />

da die Vorschrift keinen eigenen Bußgeldtatbestand bildet; vielmehr muss sich die Verjährung<br />

akzessorisch nach jenen für die Verjährung der Bezugstat geltenden Verjährungsvorschriften richten<br />

243 .<br />

(3) Die Pflichtverletzung nach § 30 Abs. 1 Alt. 1 OWiG<br />

Ferner ist erforderlich, dass durch die begangene Straftat oder Ordnungswidrigkeit, welche nicht notwendigerweise<br />

vermögensrechtlicher Art sein müssen, eine spezifische unternehmens- oder verbandsbezogene<br />

Pflicht verletzt worden ist. Damit sind nur solche Pflichten gemeint, die sich für die juristi-<br />

237 Schmidt, Gewinnabschöpfung im Straf- und Bußgeldverfahren, 2006, 5. Teil Rn. 1268.<br />

238 Vgl. Verjans, Münchener Anwalts Handbuch, Verteidigung in Wirtschafts- und Steuerstrafsachen, 2006, § 8<br />

„Strafrechtliche Präventivberatung“ Rn. 15; Britz, Münchener Anwalts Handbuch, Verteidigung in Wirtschafts-<br />

und Steuerstrafsachen, 2006, § 5 „Rechtsfolgen gegen das Unternehmen“.<br />

239 Schmidt, Gewinnabschöpfung im Straf- und Bußgeldverfahren, 2006, 5. Teil Rn. 1300.<br />

240 Schmidt, Gewinnabschöpfung im Straf- und Bußgeldverfahren, 2006, 5. Teil Rn. 1320.<br />

241 Niesler, Graf/Jäger/Wittig, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 2011, § 30 OWiG Rn. 28.<br />

242 Schmidt, Gewinnabschöpfung im Straf- und Bußgeldverfahren, 2006, 5. Teil Rn. 1321.<br />

243 Rogall, Karlsruher Kommentar, OWiG, 3. Auflage 2006, § 30 Rn. 227a.<br />

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