Arbeitshilfe - Justizakademie Nordrhein-Westfalen
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Teil V Internationale Vermögensabschöpfung<br />
Zur normtechnischen Umsetzung dieses Grundsatzes hat sich der Europäische Rat für die sogenannte<br />
„Listendeliktslösung“ entschieden, die strukturell etwa mit dem Katalogtatensystem in der StPO bei<br />
besonders eingriffsintensiven strafprozessualen Maßnahmen (vgl. etwa § 100a StPO) vergleichbar ist.<br />
Bei Vorliegen bestimmter besonders schwerwiegender (Listen-)Delikte, wie etwa Beteiligung an einer<br />
kriminellen Vereinigung, Terrorismus, Menschenhandel, illegaler Handel mit Drogen, illegaler Waffenhandel,<br />
Korruption, Betrug, Geldwäsche etc., die im Entscheidungsstaat mit einer Freiheitsstrafe im<br />
Höchstmaß von mindestens drei Jahren bedroht sein müssen, führt die (ausländische) Verfalls- und<br />
Einziehungsentscheidung bzw. die vorläufige ausländische Sicherstellungsentscheidung auch ohne<br />
Überprüfung des Vorliegens beiderseitiger Strafbarkeit der Handlungen zu deren Anerkennung und zu<br />
einer zeitnahen Vollstreckung.<br />
Anerkennung und Vollstreckung der ausländischen Entscheidungen entsprechen daher dem Regel-<br />
und die Ablehnung dem Ausnahmefall.<br />
Die Prüfung der beiderseitigen Voraussetzungen der §§ 73 ff., 74 StGB, welche vom Erfordernis der<br />
Beiderseitigkeit der Strafbarkeit gedanklich zu trennen ist, ist dagegen obligatorisch 548 .<br />
Weitere wichtige Grundprinzipien der beiden Rahmenbeschlüsse sind:<br />
Definition von einheitlichen Begrifflichkeiten, die nicht in allen Fällen mit denen des deutschen<br />
Rechts übereinstimmen 549<br />
Direkter und unmittelbarer Geschäftsweg<br />
Möglichkeit des Vollstreckungsaufschubs<br />
Rechtsmittelgarantien<br />
Frage:<br />
Welche fakalutativen Ablehnungsgründe sehen die beiden Rahmenbeschlüsse „Sicherstellung“<br />
und „Einziehung Gegenseitigkeit“ vor und worin liegt insoweit die Leitidee<br />
des Normgebers?<br />
Die Rahmenbeschlüsse sehen allerdings auch verschiedene fakultative Ablehnungsgründe vor, bei<br />
deren Vorliegen vom Grundsatz der Anerkennung und Vollstreckung abgewichen werden kann (vgl.<br />
Artikel 7 Rb „Sicherstellung“ und Artikel 8 Rb „Einziehung Gegenseitigkeit“).<br />
Die wichtigsten fakultativen Ablehnungsgründe, die beiden Rahmenbeschlüssen gemein sind, stellen<br />
sich wie folgt dar:<br />
kein Listendelikt<br />
ne bis in idem (Artikel 103 Abs. 3 GG; Artikel 54 SDÜ)<br />
Vollstreckungsverjährung<br />
Abwesenheitsentscheidungen<br />
Vorliegen bestimmter Inlandstaten<br />
Unzureichende oder unvollständige Bescheinigung<br />
Ferner bedarf es der Einhaltung bestimmter verfahrensrechtlicher Vorgaben.<br />
So sind Sicherstellungs- bzw. Verfalls- und Einziehungsentscheidungen auf dem unmittelbaren Geschäftsweg<br />
zusammen mit einer von der jeweils im ersuchenden Staat (= Entscheidungsstaat) zuständigen<br />
Behörde auszufüllenden Bescheinigung im Sinne der Artikel 9 Rb „Sicherstellung“ und 4 Rb<br />
„Einziehung Gegenseitigkeit“ an die zuständige Behörde im ersuchten Staat (= Vollstreckungsstaat) zu<br />
übersenden.<br />
548 BR-Drucks. 67/09, S. 44 ff.<br />
549 So erfasst der Begriff „confiscation order“ (=(Einziehungs-)Entscheidung) nicht nur die Einziehung, sondern<br />
jede auf §§ 73 ff., 74 ff. StGB gestützte Sanktion (vgl. hierzu auch Art. 11 Abs. 1 EuGeldwäscheÜbk).<br />
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