Arbeitshilfe - Justizakademie Nordrhein-Westfalen
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Teil I Materielles Recht der Vermögensabschöpfung<br />
§ 73c StGB hat für die strafrechtliche Praxis enorme Bedeutung.<br />
Dies zeigt sich nicht zuletzt an der Vielzahl von diesbezüglichen revisionsrechtlichen Entscheidungen<br />
167 . Einzelheiten insbesondere im Hinblick auf § 73c Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 StGB sind zwischen einzelnen<br />
BGH-Senaten durchaus umstritten 168 . Deshalb soll es bei den nun folgenden Ausführungen vorrangig<br />
darum gehen, die maßgeblichen Grundstrukturen darzustellen.<br />
Frage:<br />
Was sind die maßgeblichen Grundstrukturen des § 73c StGB?<br />
§ 73c StGB ist Ausdruck des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes sowie des Übermaßverbotes 169 . Übermäßige<br />
Härten, etwa infolge des Umstands, dass der Verfall grundsätzlich auch dann anzuordnen ist,<br />
wenn sich das Erlangte oder dessen Wert im Tätervermögen nicht mehr befinden (Umkehrschluss aus<br />
§§ 73a Satz 2; 73c Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 StGB) 170 , oder der Inanspruchnahme von Drittempfängern,<br />
sollen darüber relativiert werden können.<br />
Wie oben bereits dargelegt sind auch Konstellationen denkbar, die entweder schon auf tatbestandlicher<br />
Ebene oder aber erst bei der Prüfung des § 73c StGB entsprechende Regulation erfahren können,<br />
so etwa bei der Bestimmung des (unmittelbar) Erlangten im Rahmen synallagmatischer Vertragsgestaltungen<br />
oder in den Fällen des Erlangens bei Gehilfen (vgl. oben).<br />
Bei diesem Verständnis hat § 73c StGB somit nicht erst Auswirkungen im eigentlichen Hauptverfahren,<br />
sondern bereits im Ermittlungsverfahren. Zwar ist die Härteklausel bei letzterem nicht unmittelbar<br />
anwendbar; ihre Wertungen sind jedoch zu berücksichtigen 171 .<br />
Im Übrigen ist § 73c StGB auch bei der Anwendung des § 111i StPO zu beachten 172 .<br />
Neben dem eher unbedeutenden § 73c Abs. 2 StGB ist § 73c Abs. 1 StGB zweigeteilt.<br />
Der speziellere Tatbestand ist § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB, wiederum in zwei Alternativen unterteilt, zu<br />
entnehmen. § 73c Abs. 1 Satz 2 1. Alt. StGB regelt die „Entreicherung“ und § 73c Abs. 1 Satz 2 2. Alt.<br />
StGB die Fälle des geringen Werts des Erlangten.<br />
§ 73c Abs. 1 Satz 1 StGB ist dagegen als Generalklausel ausgestaltet.<br />
Aufgrund dieser Systematik 173 ist bei der Prüfung mit § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB zu beginnen. Erst wenn<br />
kein spezieller Fall vorliegt, kann § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB überhaupt Anwendung finden. Aus dieser<br />
Gesetzesordnung folgt weiter, dass ein allgemeiner Härtefall nicht schon deswegen vorliegt, wenn der<br />
Wert des Erlangten zur Zeit der Anordnung im Vermögen des Betroffenen nicht mehr vorhanden ist.<br />
Denn Umstände, die (nur) ein Absehen von der Verfallsanordnung nach pflichtgemäßem Ermessen<br />
zulassen, können nicht zugleich einen zwingenden Ausschlussgrund bilden 174 .<br />
Sind schließlich die Voraussetzungen eines allgemeinen Härtefalls (im Sinne des § 73c Abs. 1 Satz 1<br />
StGB) gegeben, so ist die Anordnung des Verfalls ganz oder teilweise zwingend ausgeschlossen, während<br />
§ 73c Abs. 1 Satz 2 StGB insoweit Ermessen einräumt. Denkbar ist auch die kumulative Annahme<br />
eines fakultativen Härtefalls nach § 73c Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 StGB und eines obligatorischen Härtefalls<br />
entsprechend der Generalklausel des § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB, sofern neben der (anteiligen) Entreicherung<br />
weitere, den Betroffenen im Sinne des § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB privilegierende Umstände<br />
167 Vgl. hierzu Schmidt, Leipziger Kommentar (LK), StGB, 12. Auflage 2010, Bd. 3 § 73c Rn. 5; Wiedner,<br />
Graf/Jäger/Wittig, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 2011, § 73c StGB Rn. 22 ff. mit Hinweisen zum Verfahrensrecht<br />
und der Überprüfbarkeit erstinstanzlicher Entscheidungen in der Revision.<br />
168 Vgl. hierzu Fischer, StGB, 58. Auflage 2011, § 73c Rn. 4.<br />
169 Wiedner, Graf/Jäger/Wittig, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 2011, § 73c StGB Rn. 1 m.w.N.<br />
170 Schmidt, Leipziger Kommentar (LK), StGB, 12. Auflage 2010, Bd. 3 § 73c Rn. 2.<br />
171 Lohse, AnwaltKommentar StPO, 2. Auflage 2010, vor §§ 111b ff. Rn. 9.<br />
172 Meyer-Goßner, StPO, 54. Auflage 2011, § 111i Rn. 9 m.w.N.<br />
173 Vgl. hierzu BGH, Urteil vom 12.07.2000, 2 StR 43/00.<br />
174 Schmidt, Leipziger Kommentar (LK), StGB, 12. Auflage 2010, Bd. 3 § 73c Rn. 7.<br />
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