Arbeitshilfe - Justizakademie Nordrhein-Westfalen
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Teil I Materielles Recht der Vermögensabschöpfung<br />
§ 73 StGB behandelt den (Original-)Verfall und richtet sich nach § 73 Abs. 1 StGB gegen den Täter<br />
oder Teilnehmer, nach § 73 Abs. 3 StGB gegen den Drittempfänger und nach § 73 Abs. 4<br />
StGB gegen den Dritteigentümer.<br />
Während die Merkmale einerseits des Eigentums bzw. der Rechtsinhaberschaft und andererseits des<br />
Gewahrsams in den Fällen des § 73 Abs. 1 StGB sowie des § 73 Abs. 3 StGB zusammenfallen, hat der<br />
Dritte i.S.d. § 73 Abs. 4 StGB Eigentum oder das betreffende Recht an dem Gegenstand, wohingegen<br />
der Täter oder Teilnehmer nur Gewahrsamsinhaber ist.<br />
Im Übrigen ist die Anordnung des Verfalls grundsätzlich obligatorisch. Eine Ausnahme hat der Gesetzgeber<br />
nur bei Surrogaten i.S.d. § 73 Abs. 2 Satz 2 StGB zugelassen. Wird hier vom Verfall abgesehen,<br />
ist der Verfall von Wertersatz nach § 73a Satz 1 Alt. 3 StGB aber zwingend anzuordnen.<br />
1.2.2 Der Verfall nach § 73 Abs. 1 StGB<br />
I Tatbestandlicher Aufbau<br />
a. Rechtswidrige Tat<br />
Fall 1<br />
Der 13-jährige Schüler M. hat mit Betäubungsmitteln in nicht geringem Umfang gehandelt<br />
und aus den Taten Erlöse in Höhe von ungefähr 5.000,- Euro erzielt.<br />
Allerdings sind die Taten verjährt.<br />
Unter einer rechtswidrigen Tat ist nach § 11 Abs. 1 Nr. 5 StGB eine solche zu verstehen,<br />
die den Tatbestand eines Strafgesetzes verwirklicht, also vorsätzlich oder fahrlässig<br />
begangen wurde 18 , und die rechtswidrig ist.<br />
Auf ein Verschulden kommt es nicht an. Persönliche Strafaufhebungs- und Strafausschließungsgründe<br />
oder ein Rücktritt vom Versuch sind ebenso unschädlich 19 .<br />
Auch Taten Jugendlicher oder Heranwachsender, bei denen das Jugendgerichtsgesetz (JGG) Anwendung<br />
findet, sind dem Grunde nach verfallsbedroht 20 .<br />
Schließlich ist auch der strafbewehrte Versuch taugliche Anknüpfungstat 21 .<br />
Lösung Fall 1<br />
Im Ausgangsfall liegt eine rechtswidrige Tat im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB<br />
vor. Allerdings ist M. persönlich nicht verfolgbar (§ 19 StGB). Möglich wäre daher nur<br />
die Durchführung des objektiven Verfahrens nach § 76a StGB 22 . Infolge der Verjährung<br />
der Taten kommt aber die Anordnung des Verfalls grundsätzlich nicht in Betracht<br />
(§§ 78 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. 11 Abs. 1 Nr. 8 StGB).<br />
Hätte M. im Ausgangsfall zur Tatbegehung einziehungsfähige Tatmittel (im Sinne des<br />
§ 74 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 StGB) genutzt, könnten diese hingegen eingezogen werden<br />
(§§ 78 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. 76a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StGB).<br />
Fortführung folgt!<br />
Wie bei der Verjährung, die als endgültiges Verfahrenshindernis (im Sinne des § 260 Abs. 3<br />
StPO) anzusehen ist, ist der Verfall auch bei sonstigen – nicht behebbaren – Verfahrenshindernissen<br />
ausgeschlossen 23 . Dies gilt sowohl für das subjektive als auch für das objektive Verfahren, da §<br />
76a Abs. 1 und Abs. 3 StGB nur auf Hindernisse im Tatsächlichen rekurriert, die also die faktische<br />
18<br />
BGH, Urteil vom 19.01.2012, 3 StR 343/11.<br />
19<br />
Wiedner, Graf/Jäger/Wittig, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 2011, § 73 StGB Rn. 11.<br />
20<br />
BGH, Urteil vom 17.06.2010, 4 StR 20/10.<br />
21<br />
BGH, Urteil vom 29.06.2010, 1 StR 245/09; krit. Rübenstahl, HRRS 2010, 505 ff.; Schlösser, NStZ 2011, 121<br />
ff., Bauer, NStZ 2011, 396 ff.<br />
22<br />
Vgl. hierzu auch BGH, Beschluss vom 05.05.2011, 3 StR 458/10.<br />
23<br />
Wiedner, Graf/Jäger/Wittig, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 2011, § 73 StGB Rn. 13.<br />
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