Arbeitshilfe - Justizakademie Nordrhein-Westfalen
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Teil V Internationale Vermögensabschöpfung<br />
18. Internationale Rückgewinnungshilfe in der Diktion der §§<br />
73 Abs. 1 Satz 2 StGB; 111b Abs. 5 StPO<br />
Fall 38:<br />
Die Staatsanwaltschaft Bochum führt ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts<br />
u.a. des (schweren) Bankrotts.<br />
Im Zuge prozessualer Maßnahmen u.a. auch in der Schweiz konnte zunächst ermittelt<br />
werden, dass einer der Beschuldigten Bestandteile seines Vermögens in die<br />
Schweiz geschafft hat, um diese der Masse in dem gegen ihn eröffneten Privatinsolvenzverfahren<br />
zu entziehen. Anlässlich einer weiteren Durchsuchung in der Schweiz<br />
ergaben sich dann Hinweise darauf, dass sich Vermögenswerte des Beschuldigten in<br />
einem Schließfach bei einer schweizerischen Kantonalbank befinden sollten. Die daraufhin<br />
erwirkte Öffnung und Durchsuchung des Schließfachs ergab schließlich einen<br />
Bestand von ungefähr 750.000,- Euro Bargeld und 40 kg Gold.<br />
Wie ist weiter zu verfahren?<br />
Den meisten ausländischen (EU-)Staaten ist das deutsche Modell der Rückgewinnungshilfe nicht geläufig.<br />
Dies könnte theoretisch zu Schwierigkeiten führen, zum einen bei ausländischen Ersuchen um<br />
Vollstreckung einer Verfallsentscheidung, die nach deutschem Recht im Hinblick auf § 73 Abs. 1 Satz 2<br />
StGB nicht möglich wäre, und zum anderen bei ausgehenden deutschen Ersuchen um vorläufige Sicherungsmaßnahmen<br />
von Vermögenswerten im Wege der Rückgewinnungshilfe, welche wiederum<br />
dem ausländischen Verfahrensrecht fremd ist.<br />
Die einschlägigen europäischen Rahmenbeschlüsse behandeln die Rückgewinnungshilfe nicht ausdrücklich,<br />
schließen sie aber auch nicht aus. Dies gilt zudem für die diesbezüglich relevanten bi- und<br />
multilateralen Übereinkommen im Sinne des § 1 Abs. 3 IRG.<br />
Im Rahmenbeschluss 2006/783/JI vom 06. Oktober 2006 über die Anwendung des Grundsatzes der<br />
gegenseitigen Anerkennung von Einziehungsentscheidungen (Rb „Einziehung Gegenseitigkeit“) wird in<br />
Absatz 15 der Präambel lediglich klargestellt, dass er die Rückgabe von Vermögensgegenständen an<br />
ihren rechtmäßigen Eigentümer nicht behandelt.<br />
Im IRG selbst ist eine mit § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB vergleichbare Regelung nicht enthalten 592 .<br />
Das bedeutet zunächst, dass ausländische Verfallsentscheidungen auch in den Fällen der Rückgewinnungshilfe<br />
uneingeschränkt vollstreckt werden können, was in den §§ 49 Abs. 1 Nr. 3; 88a Abs. 1 Nr.<br />
2 IRG – „ (...) ungeachtet des Absatzes 73 Absatz 1 Satz 2 StGB (...)“ – ausdrücklich klargestellt wird.<br />
Im Gegenzug sieht § 56a IRG, der gemäß §§ 88 Satz 2 IRG auch für den Rechtshilfeverkehr mit den<br />
Mitgliedstaaten der Europäischen Union anwendbar ist, ein Entschädigungsverfahren von Verletzten<br />
aus Straftaten vor, sofern diesen durch die Vollstreckung der ausländischen Anordnung Haftungsmasse<br />
entzogen wurde 593 .<br />
Bei eingehenden Ersuchen um Sicherungsmaßnahmen i.S.d. §§ 111b ff. StPO im Rahmen der sonstigen<br />
Rechtshilfe bedurfte es hingegen einer derartigen Klarstellung nicht, da innerstaatlich Beschlagnahme<br />
und Vollziehung eines dinglichen Arrestes der Absicherung sowohl entsprechender staatlicher<br />
als auch (Verletzten-)Ansprüche dienen.<br />
Allerdings sollen im Falle der Rückgewinnungshilfe zu Gunsten ausländischer Geschädigter als Ermächtigungsgrundlage<br />
nicht die §§ 58 Abs. 3, 67, 94 IRG, sondern die §§ 111b ff. StPO direkt herangezogen<br />
werden können 594 .<br />
Dies dürfte jedoch für entsprechende Ersuchen im Sinne der §§ 66 Abs. 1 Nr. 2 – 4 IRG respektive 67<br />
Abs. 1 IRG nicht mehr gelten, da der ersuchende Staat insoweit frei darin ist, den Gegenstand auch<br />
an den Verletzten herauszugeben (vgl. oben).<br />
592<br />
Schomburg/Hackner, Schomburg/Lagodny/Gleß/Hackner, internationale Rechtshilfe in Strafsachen, 5. Auflage<br />
2011, § 49 IRG Rn. 13b.<br />
593<br />
Vgl. BT-Drucks. 16/12320, S. 22 ff.<br />
594<br />
Hackner/Lagodny/Schomburg/Wolf, internationale Rechtshilfe in Strafsachen, 2003, 5. Kapitel Grenzüber-<br />
schreitende Vermögensabschöpfung Rn. 248.<br />
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