Arbeitshilfe - Justizakademie Nordrhein-Westfalen

Teil V Internationale Vermögensabschöpfung
Einzig zweifelhaft erscheint, ob bei Maßnahmen nach §§ 111b ff. StPO, welche in die Rechte Dritter
eingreifen, tatsächlich auch die Vollstreckungserinnerung nach § 766 ZPO und die Drittwiderspruchsklage
nach § 771 ZPO statthafte Rechtsmittel sind 577 , hat der Gesetzgeber doch mit § 111f Abs. 5
StPO eine Regelung geschaffen, welche den Rechtsschutz insoweit ausschließlich auf die nach der
StPO statthaften Rechtsmittel beschränken sollte 578 .
Lösung Fall 36:
Die Voraussetzungen des § 94 IRG liegen vor. Da es sich bei Betrug um ein Listendelikt
i.S.d. § 94 Abs. 1 Nr. 1 IRG handelt, ist die Beiderseitigkeit der Strafbarkeit nicht
zu prüfen; im Übrigen könnte(n) auch nach deutschem Recht vorbehaltlich der Regelung
des § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB der Verfall von Wertersatz resp. entsprechende Sicherungsmaßnahmen
nach §§ 111b ff. StPO angeordnet werden. Gem. §§ 94 Abs. 1,
58 Abs. 3, 67 Abs. 3, 77 Abs. 1 IRG; 111b, 111d StPO kann daher beim zuständigen
Amtsgericht der Erlass eines dinglichen Arrestes und etwaiger Kontopfändungsbeschlüsse
erwirkt werden.
Dass die Republik Österreich insoweit entgegen der Regelung des § 73 Abs. 1 Satz 2
StGB den Verfall anstrebt, ist unschädlich (vgl. § 49 Abs. 1 Nr. 3 IRG).
17.2.2 Vermögensabschöpfung im Rahmen der (vertraglosen) Vollstreckungshilfe bei
eingehenden Ersuchen
I Verfahren
Bei der Umsetzung eines Ersuchens um Vollstreckung einer ausländischen Verfallsentscheidung sind
mehrere „Stationen“ zu unterscheiden.
Nach Eingang eines solchen Rechtshilfeersuchens bereitet die örtlich zuständige Staatsanwaltschaft
beim Landgericht die Exequaturentscheidung vor (vgl. §§ 50 Satz 2, 51, 88d Abs. 1 IRG), wobei die
Prüfung von Zulässigkeit und etwaiger Bewilligungshindernisse im Vordergrund steht (vgl. §§ 48, 49,
88d Abs. 1 IRG).
Diese Überprüfung kann zudem – abhängig vom Einzelfall – auch die Frage nach ggf. notwendigen
Sicherungsmaßnahmen nach §§ 111b ff. StPO beinhalten (vgl. §§ 58 Abs. 3, 88d Abs. 1 IRG).
Die Staatsanwaltschaft hat schließlich die Sache verbunden mit einem zu begründenden Antrag dem
Landgericht zur Entscheidung vorzulegen.
Kommt das Landgericht gem. §§ 50 und 55 IRG dazu, das ausländische Erkenntnis für vollstreckbar zu
erklären (§§ 54, 88d Abs. 3 IRG), und ist die Entscheidung rechtskräftig geworden (vgl. §§ 42, 55
Abs. 2, 88 IRG), bedarf das Ersuchen gem. §§ 56, 88, 88c IRG der Bewilligung durch die zuständige
Bewilligungsbehörde, vorliegend durch das jeweilige Landesjustizministerium 579 .
Vorher hat die Staatsanwaltschaft entsprechend zu berichtigen (vgl. Nr. 69 Abs. 2 RiVASt und Nr. 188
Abs. 1 E-RiVASt).
Nachfolgend ergehen die Vollstreckung der landgerichtlichen Exequaturentscheidung (vgl. §§ 57, 88e
IRG), das ggf. notwendig werdende Verfahren über die Entschädigung einer durch die zugrunde liegende
Straftat verletzten Person (vgl. §§ 56a, 88 IRG) und das „Verteilungsverfahren“ (vgl. §§ 56b,
88f IRG).
II. (Vertragslose) Rechtshilfe nach §§ 48 ff. IRG
Vollstreckt werden kann jede rechtskräftige ausländische Sanktion, wobei es bei Übernahme der
Vollstreckung einer Anordnung des (erweiterten) Verfalls oder der Einziehung (des Wertersatzes) nicht
auf den Entscheidungsträger, sondern allein darauf ankommt, ob der Anordnung eine mit Strafe bedrohte
Handlung zu Grunde liegt 580 .
577 So Trautmann, Schomburg/Lagodny/Gleß/Hackner, internationale Rechtshilfe in Strafsachen, 5. Auflage 2011,
Vor § 94 IRG Rn. 11; vgl. auch BT-Drucks. 16/6563, S. 12 und BR-Drucks. 553/07, S. 19.
578 Vgl. hierzu Meyer-Goßner, StPO, 54. Auflage 2011, § 111f Rn. 15.
579 § 74 Abs. 2 IRG i.V.m. Zuständigkeitsvereinbarung vom 28. April 2004 (BAnz. S. 11494) und RdErl. d. JM NRW
und des IM NRW vom 1. Juli 2004 in der Fassung vom 22. August 2007 (JMBl. NRW S. 171).
580 Schomburg/Hackner, Schomburg/Lagodny/Gleß/Hackner, internationale Rechtshilfe in Strafsachen, 5. Auflage
2011, § 48 IRG Rn. 5.
168