Arbeitshilfe - Justizakademie Nordrhein-Westfalen
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Teil III Rückgewinnungshilfe zu Gunsten von Verletzten aus Straftaten<br />
Fazit:<br />
§ 111i Abs. 2 – 8 StPO stellt trotz seiner Implementierung im Verfahrensrecht eine im<br />
Kern materiell-rechtliche Bestimmung dar, die § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB dergestalt modifiziert,<br />
dass Verletztenansprüche den Verfall zugunsten des Staates unter der Bedingung<br />
nicht hindern, dass Tatgeschädigte während der 3-Jahres-Frist i.S.d. § 111i Abs. 3 StPO<br />
untätig geblieben sind.<br />
Wie oben bereits dargelegt ist der Gesetzgeber insoweit vor dem Hintergrund der Regelung<br />
des § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB der den Anwendungsbereich des § 111i StPO begrenzenden<br />
Leitidee gefolgt, zu verhindern, bereits gesicherte Vermögenswerte an den Täter<br />
oder sonst Betroffenen in Kenntnis der strafbewehrten Herkunft wieder herausgeben zu<br />
müssen.<br />
Daraus folgt zunächst, dass es nur dann zum Auffangrechtserwerb kommt, wenn bis zur<br />
Rechtskraft des Urteils Vermögenssicherungen ausgebracht wurden. Darüber hinaus begrenzt<br />
§ 111i Abs. 5 Satz 4 StPO den Auffangrechtserwerb in der Weise, dass mit der<br />
Verwertung der nach § 111i Abs. 5 Satz 1 StPO entstandene Zahlungsanspruch auch insoweit<br />
erlischt, als der Verwertungserlös hinter der Höhe des Anspruchs zurückbleibt.<br />
Sollten mithin bisher unbekannte, nicht gesicherte Vermögenswerte des Täters innerhalb<br />
der 3-Jahres-Frist oder danach „auftauchen“ 463 , hätten die Strafverfolgungsbehörden keine<br />
rechtliche Möglichkeit mehr, darauf Zugriff zu nehmen, um eine bis dahin bestehende<br />
Unterdeckung aufzulösen. Staatdessen wäre der Tatverletzte, der noch keine hinreichende<br />
Kompensation erfahren hat, selbst gehalten, die Zwangsvollstreckung zu betreiben.<br />
Gerade bei Verfahren mit einer Vielzahl von Geschädigten und geringen Individualschäden,<br />
die laut der Gesetzesbegründung Anlass für die Gesetzesänderung gegeben haben<br />
464 , erscheint es mehr als zweifelhaft, dass Tatverletzte willens und in der Lage sind,<br />
eigene Titel zu erwirken und daraus effektiv die Vollstreckung zu betreiben.<br />
In bestimmten Deliktsbereichen ergeben sich somit Anwendungsdefizite, die durch das<br />
Gesetz zur Stärkung der Rückgewinnungshilfe und der Vermögensabschöpfung bei Straftaten<br />
gerade vermieden werden sollten.<br />
Es bleibt auch vor dem Hintergrund der Rechtsentwicklung auf europäischer Ebene abzuwarten,<br />
wie darauf der nationale Gesetzgeber reagieren wird. Ein bereits im Jahre 1998<br />
eingebrachter Gesetzesentwurf der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und F.D.P. vom 03.<br />
Februar 1998 465 würde m.E. diese Problematik vermeiden und zu einer im Ansatz effektiveren<br />
und ebenso verfassungsgemäßen Vermögensabschöpfung führen 466 .<br />
Regelungsgehalt und Rechtsfolgen der Maßnahmen sind einerseits nach §§ 73, 73a, 73d<br />
StGB und andererseits nach § 111i Abs. 2 und 5 StPO dem Grunde nach identisch. Deshalb<br />
kann materiell-rechtlich betrachtet bei § 111i Abs. 2 StPO kein anderer Maßstab, als<br />
bei §§ 73 ff. StGB geboten, angezeigt sein.<br />
463<br />
Vgl. hierzu den Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Sicherstellung<br />
und Einziehung von Erträgen aus Straftaten in der Europäischen Union, BR-Drucks. 135/12, S. 14 ff. und<br />
25.<br />
464<br />
Vgl. BT-Drucks. 16/700, S. 8.<br />
465<br />
BT-Drucks. 13/9742.<br />
466<br />
Vgl. aber Lohse, AnwaltKommentar, StPO, 2. Auflage 2010, § 111i Rn. 2.<br />
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