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Arbeitshilfe - Justizakademie Nordrhein-Westfalen

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Teil IV Spannungsverhältnis zwischen Sicherungsmaßnahmen und eröffnetem Insolvenzverfahren<br />

Schließlich kommt auch das AG Göttingen 513 zu diesem Auslegungsergebnis, im Wesentlichen unter<br />

Bezugnahme auf die Argumentation Greiers, teilweise aber auch auf Rechtsprechungsnachweise, die<br />

sich indes nur bedingt als stichhaltig erweisen.<br />

Im entschiedenen Fall, der mit der vorliegenden Konstellation vergleichbar ist, ohne dass es zu einer<br />

Feststellung nach § 111i Abs. 2 StPO und einer Verlängerung des Sicherungstitels nach § 111i Abs. 3<br />

StPO gekommen ist 514 , führe der dingliche StPO-Arrest nicht zu einem absoluten Veräußerungsverbot<br />

und dem Entstehen eines insolvenzfesten Absonderungsrechtes. Denn: Die Anordnung sei nicht erfolgt<br />

zur Sicherung der Ansprüche eines bestimmten Verletzten, sondern vielmehr für die „den Verletzten<br />

aus den Straftaten erwachsenen zivilrechtlichen Ansprüchen“. Ein Absonderungsrecht nach § 50<br />

InsO sei daher schon in Ermangelung eines bestimmten begünstigten Gläubigers nicht entstanden.<br />

Markgraf 515 hat sich in seiner Dissertation mit dieser Fallgestaltung nicht befasst, dürfte aber wohl zu<br />

demselben Ergebnis kommen, im Übrigen gestützt auf eine (analoge) Anwendung des § 91 Abs. 1<br />

InsO, mit der sich bereits das OLG Köln auseinander gesetzt hat 516 .<br />

Rönnau 517 wendet sich desgleichen gegen die Konsequenz, dass der Fiskus aufgrund unanfechtbar<br />

erworbener Pfändungspfandrechte bzw. Sicherungshypotheken abgesonderte Befriedigung verlangen<br />

kann. Er begründet dies mit einem Widerspruch gegenüber der Wertung des § 39 Abs. 1 Nr. 3 InsO,<br />

ferner mit der sich infolgedessen ergebenden Ungleichbehandlung staatlicher Ansprüche auf Verfall<br />

einerseits und Wertersatzverfall andererseits und schließlich mit dem Umstand, dass es bei der Vermögensabschöpfung<br />

nicht darum gehe, dem Staat Einnahmequellen zu verschaffen.<br />

Jeder mag sich hier eine eigene Meinung bilden. Gleichwohl sind aber einige Anmerkungen<br />

angezeigt.<br />

Den Gesetzesmaterialien zum Gesetz zur Stärkung der Rückgewinnungshilfe und der Vermögensabschöpfung<br />

bei Straftaten vom 24.10.2006 518 , In-Kraft-Getreten am 01.01.2007, lässt sich insoweit<br />

nichts entnehmen 519 . Es findet sich dort lediglich der Hinweis, dass Ansprüche von Verletzten i.S.d. §§<br />

73 Abs. 1 Satz 2; 111b Abs. 5 StPO – anders als noch im Gesetzesentwurf vom 03.02.1998 520 - nicht<br />

umfassend, den Anwendungsbereich der §§ 88, 89, 129 ff. InsO insoweit ausklammernd, ausgestaltet<br />

werden sollten 521 .<br />

Im Übrigen stand damals vornehmlich die Problematik im Fokus, durch eine Neugestaltung des § 111i<br />

StPO die nach dem damaligen Recht missliche und von vielen als unbillig empfundene Situation zu<br />

lösen, nach erfolgten Sicherungsmaßnahmen zu Gunsten von Verletzten aus Straftaten gesicherte<br />

Vermögenswerte in Kenntnis der inkriminierten Herkunft der Werte wieder an den Täter oder Teilnehmer<br />

herausgeben zu müssen, da die Verletzten bis zur Rechtskraft des Urteils untätig geblieben<br />

sind und der Ausspruch des Verfalls (von Wertersatz) wegen § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB rechtlich nicht<br />

möglich war.<br />

Die nunmehr im Mantel des Prozessrechts getroffene, im Kern aber als materiell-rechtlich zu bewertende<br />

Lösung erlaubt daher den staatlichen Auffangrechtserwerb von bereits beim Verfalls- oder Einziehungsbetroffenen<br />

gesicherten Vermögenswerten 522 .<br />

Vor diesem Hintergrund indes zu behaupten, Staatsanwaltschaft oder Gerichte könnten derartige Situationen<br />

dazu (aus)nutzen, in der sicheren Erwartung, Verletzte würden untätig bleiben, quasi vorsorglich<br />

über die Vollziehung von dinglichen Arresten – die Formulierung von Greier aufgreifend –<br />

„sinnentleerte“ Pfändungspfandrechte als „Platzhalter“ in Umgehung der Nachrangigkeit der staatlichen<br />

Verfallsansprüche zu begründen, verkennt die rechtlichen Voraussetzungen für derartige Siche-<br />

513<br />

Greier, ZInsO 2007, 953 ff.<br />

514<br />

Vgl. AG Göttingen, AG Göttingen, Beschluss vom 30.11.2010, 74 IN 236/09 Rn. 4 und 21 zitiert nach juris -.<br />

515<br />

Markgraf, Der Grundsatz der par conditio creditorum im Spannungsverhältnis zu der strafprozessualen Vermögensabschöpfung<br />

(Diss.), 2008 S. 181 ff.<br />

516<br />

OLG Köln, Beschluss vom 08.08.2003, 2 Ws 433/03 Rn. 50 – zitiert nach juris -.<br />

517<br />

Rönnau, FS für Achenbach, 2011, 385 (407).<br />

518<br />

BGBl. Teil I 2006 Nr. 49, S. 2350.<br />

519<br />

Vgl. nur BR-Drucks. 940/05; BT-Drucks. 16/700; BT-Drucks. 16/2021.<br />

520<br />

BT-Drucks. 13/9742.<br />

521<br />

BR-Drucks. 940/05, S. 24 ff.; hierzu auch von Gleichenstein, ZIP 2008, 1151 (1156 ff.).<br />

522 BR-Drucks. 940/05, S. 13.<br />

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