Arbeitshilfe - Justizakademie Nordrhein-Westfalen
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Teil I Materielles Recht der Vermögensabschöpfung<br />
Fall 17:<br />
A. ist mehrfach strafrechtlich in Erscheinung getreten; zuletzt wurde er wegen gewerbsmäßigen<br />
Betrugs zu einer mehrjährigen Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt. Nach<br />
seiner Entlassung trat er überraschend eine Erbschaft an. Das hieraus resultierende<br />
(Bar-)Vermögen in Höhe von 500.000,- Euro investierte er daraufhin in eine Immobile.<br />
Um sich rein vorsorglich zu entreichern, übertrug er das zunächst in seinem Alleineigentum<br />
stehende Grundstück im Rahmen einer ehebedingten Zuwendung<br />
unentgeltlich an seine Ehefrau E., die im Grundbuch in Abteilung 1 als Eigentümerin<br />
eingetragen wurde. Zugleich wurde zu seinen Gunsten eine beschränkte persönliche<br />
Dienstbarkeit (Wohnungs- und Mitbenutzungsrecht) eingetragen. Ebenfalls wurde zu<br />
seinen Gunsten zur Sicherung seines sich aus dem notariellen Vertrag mit seiner<br />
Ehefrau ergebenden bedingten Anspruchs auf Rückübertragung des Eigentums – für<br />
den Fall von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen seine Ehefrau und der Anhängigkeit<br />
einer Scheidungsklage – eine Auflassungsvormerkung im Grundbuch eingetragen.<br />
1 Jahr später ging er dazu über, weitere Betrugstaten im Rahmen eines Anlagemodells<br />
zu begehen. Die ihm zur Verfügung gestellten Gelder verwandte er in unterschiedlicher<br />
Form entweder zur Finanzierung seines Lebensunterhalts oder zur Investition<br />
in hochriskante Anlageformen resp. zur Rückzahlung der versprochenen Renditen<br />
(„Schneeballsystem“). Der Gesamtschaden beläuft sich auf 1 Mio. Euro. Die Finanzermittlungen<br />
haben ergeben, dass A. über nennenswerte Vermögenswerte nicht<br />
mehr verfügt, da auch die von ihm getätigten Anlagegeschäfte zu Totalverlusten geführt<br />
haben.<br />
Lösung:<br />
Grundsätzlich kämen hier vorläufige Sicherungsmaßnahmen im Wege der Rückgewinnungshilfe<br />
zugunsten der geschädigten Anleger in Betracht. Dabei dürfte jedoch<br />
der Rückgriff auf die Ehefrau des Beschuldigten ausgeschlossen sein. Ein Verschiebungsfall<br />
nach § 73 Abs. 3 StGB liegt nicht vor, da ein Bereicherungszusammenhang<br />
zwischen den Betrugstaten und der Übertragung des Grundstücks vorliegend nicht<br />
festgestellt werden kann. Infolge des zeitlichen Abstands zwischen der ehebedingten<br />
Zuwendung und den Taten dürfte auch die Annahme eines Tatverdachts wegen Vereitelung<br />
der Zwangsvollstreckung eher fernliegend sein.<br />
Zwar mag die Übertragung – isoliert betrachtet – den Tatbestand des § 4 Anfechtungsgesetz<br />
(AnfG) erfüllen. Allerdings können nur die Verletzten und nicht die<br />
Staatsanwaltschaft als etwaige Sicherungsgläubigerin (von Maßnahmen nach §§ 111b<br />
ff. StPO) anfechtungsberechtigte Gläubiger i.S.d. § 2 AnfG sein; daran ändert auch<br />
die (abstrakte) Möglichkeit des aufschiebend bedingten Auffangrechtserwerbs nach §<br />
111i StPO nichts 111 . Die Verletzten sind daher gehalten, ausschließlich selbst entsprechend<br />
tätig zu werden.<br />
Auch bei der zweiten Fallgruppe, der Weitergabe von echtem Legalvermögen nach der Tatbegehung,<br />
nachdem zuvor der inkriminierte Erlös aus der Straftat beispielsweise verbraucht wurde, ist die Annahme<br />
eines Verschiebungsfalls rechtsdogmatisch ausgeschlossen. Dies zeigt schon ein Vergleich mit<br />
§ 822 BGB, dessen Anwendungsbereich ebenfalls nicht eröffnet wäre.<br />
111 Vgl. Huber, AnfG, 12. Aufl. 2006, § 2 Rn. 11.<br />
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