Arbeitshilfe - Justizakademie Nordrhein-Westfalen
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Teil I Materielles Recht der Vermögensabschöpfung<br />
4.1 Systematik der Bestimmungen<br />
Die kriminalpolitischen Ziele der Gewinnabschöpfung im Strafgesetzbuch sowie im Ordnungswidrigkeitenrecht<br />
sind identisch: Dem Täter sollen die Früchte seiner kriminellen Handlungen nicht belassen<br />
und darüber hinaus das Investitionskapital für die künftige Begehung von Straftaten präventiv entzogen<br />
werden 227 .<br />
Im Rahmen dreier „Instrumente“,<br />
1. der Geldbuße (§§ 17 Abs. 4, 30, 130 OWiG)<br />
2. der Einziehung (§§ 22 ff. OWiG) und<br />
3. des Verfalls (§ 29a OWiG)<br />
können diese Ziele jedenfalls mittelbar erreicht werden.<br />
Die Geldbuße kombiniert Ahndungs- und Abschöpfungsteil, wobei § 17 Abs. 4 Satz 1 an § 1 Abs. 1<br />
OWiG anknüpft. Anders als beim Verfall nach dem StGB und dem OWiG ist eine tatbestandliche,<br />
rechtswidrige und vorwerfbare Handlung erforderlich. Im Übrigen kommt nur die Abschöpfung des<br />
„wirtschaftlichen Vorteils“, den der Täter oder die juristische Person etc. aus der Ordnungswidrigkeit<br />
gezogen hat, in Betracht; es gilt insofern das Nettoprinzip. Ist eine Geldbuße entsprechend verhängt<br />
worden, kommt nachfolgend die Anordnung des Verfalls nicht (mehr) infrage (§ 29a Abs. 1 OWiG).<br />
Die Instrumente stehen somit in einem echten Exklusivitätsverhältnis.<br />
Der Verfall nach § 29a OWiG erfordert demgegenüber lediglich eine rechtswidrige Handlung, welche<br />
den Tatbestand eines Gesetzes im Sinne des § 1 Abs. 1 OWiG verwirklicht (§§ 29a Abs. 1 i.V.m. 1<br />
Abs. 2 OWiG). Analog zum Verfall nach § 73 Abs. 1 StGB kann auch beim Verfall im Ordnungswidrigkeitenrecht<br />
das erlangte „Etwas“, mithin jeder Gegenstand mit wirtschaftlichem Wert, unter Maßgabe<br />
des Bruttoprinzips abgeschöpft werden, allerdings – aus Gründen der Vereinfachung der Rechtsanwendung<br />
– nur in Form eines Geldbetrages, entsprechend dem Wert des Erlangten, und nicht im<br />
Rahmen des Originalverfalls des erlangten „Etwas“ selbst 228 . (Dritt-)Empfängerverfall (§ 29a Abs. 2<br />
OWiG), Schätzung (§ 29a Abs. 3 OWiG) und selbständiges Verfahren (§ 29a Abs. 4 OWiG) sind in<br />
einer Norm zusammengefasst.<br />
Schließlich sind die Vorschriften der Einziehung gem. §§ 22 ff. OWiG eng an die §§ 74 ff. StGB angelehnt.<br />
Diese drei Instrumente stehen sämtlich im Ermessen der Behörden, wobei die Abschöpfung des wirtschaftlichen<br />
Vorteils im Rahmen des § 17 Abs. 4 OWiG als „Soll-Vorschrift“ ausgestaltet ist; insoweit<br />
weicht § 29a OWiG von den Regelungen der §§ 73, 73a StGB ab.<br />
Unterschiede bestehen auch im Verfahrensrecht: Während beim Verfall nach § 29a OWiG vorläufig<br />
sichernde Maßnahmen über einen dinglichen Arrest möglich sind (§§ 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. 111b Abs.<br />
2, 111d StPO), werden im Vorfeld der Verhängung einer Geldbuße Sicherungsmaßnahmen von Gesetzes<br />
wegen ausgeschlossen, da der Bußgeldbescheid im Rahmen des Anhörungs- und Einspruchsverfahrens<br />
(vorläufig) nicht vollstreckt werden darf 229 .<br />
227 Schmidt, Gewinnabschöpfung im Straf- und Bußgeldverfahren, 2006, 5. Teil Rn. 1241.<br />
228 Vgl. hierzu Schmidt, Gewinnabschöpfung im Straf- und Bußgeldverfahren, 2006, 5. Teil Rn. 1283.<br />
229 Podolsky/Brenner, Vermögensabschöpfung im Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren, 4. Auflage 2010, Teil<br />
IV Kap. 2.3 S. 193.<br />
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