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Arbeitshilfe - Justizakademie Nordrhein-Westfalen

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Teil I Materielles Recht der Vermögensabschöpfung<br />

Doch selbst wenn eine Entreicherung im erforderlichen Sinne festgestellt werden kann, heißt dies<br />

nicht automatisch, dass vom Verfall (anteilig) abzusehen ist. Vielmehr sind im Rahmen der Ermessensentscheidung<br />

unterschiedliche Aspekte zu würdigen. Besondere Bedeutung kommen hierbei den<br />

Gründen zu, die für die Entreicherung maßgeblich waren. 182 . So können beispielsweise Aufwendungen<br />

in einer wirtschaftlichen Notsituation es rechtfertigen, vom Verfall (anteilig) abzusehen, während die<br />

Befriedigung eher luxuriöser Bedürfnisse mittels des aus der Tat Erlangten nicht privilegierungswürdig<br />

sein dürfte.<br />

Weiter zu berücksichtigende Umstände können vorliegen 183 :<br />

Gefährdung der Resozialisierung<br />

Einlassungsverhalten speziell im Hinblick auf die für die Verhängung von Maßnahmen nach §§ 73<br />

ff. StGB relevanten Umstände<br />

Wirtschaftliche Belastungen des Verfahrens namentlich infolge langer Untersuchungshaft<br />

Schonung unbemakelten Vermögens<br />

Freiwillig geleistete Kompensationszahlungen (vor Tatentdeckung) etc.<br />

Irrelevant sind hingegen Einwände bzgl. getätigter Aufwendungen anlässlich der Straftat. Derartige<br />

Ausgaben finden aufgrund des Bruttoprinzips keine Berücksichtigung. Zwar mag sich die Bedeutung<br />

des § 73c Abs. 1 StGB durch den Wechsel vom Netto- auf das Bruttoprinzip geändert haben 184 . Dies<br />

führt jedoch nicht dazu, dass die hierfür maßgeblichen gesetzgeberischen Erwägungen durch die „Hintertür“<br />

des § 73c Abs. 1 StGB wieder ausgehebelt werden können 185 .<br />

b. Sonderfälle<br />

In diesem Themenkreis können insbesondere bei Sachverhalten, die dem Wirtschaftsstrafrecht zuzuordnen<br />

sind, Sonderprobleme anfallen, auf die in der gebotenen Kürze einzugehen ist.<br />

Bei der Gewinnabschöpfung bei juristischen Personen als (Dritt-)Empfänger eingebunden in Konzerne<br />

oder konzernähnliche Gebilde sieht sich der Rechtsanwender des Öfteren mit (faktischen) Beherrschungs-<br />

und Gewinnabführungsverträgen zwischen (Konzern-)Mutter und Töchtern und Entreicherungseinwänden<br />

der Letzteren konfrontiert. Hier ist zu beachten, dass das Konzernrecht entsprechende<br />

Freistellungsansprüche (analog) § 302 AktG als zu berücksichtigender Vermögensbestandteil der<br />

Konzerntochter vorsieht und dementsprechend eine Entreicherung nicht vorliegt 186 .<br />

Ein weiteres Sonderproblem bildet die mögliche – und zu vermeidende – Doppelbelastung durch Verfall<br />

des Erlangten sowie dessen gleichzeitige Besteuerung 187 .<br />

Hier spielen mehrere, miteinander in Verbindung stehende Aspekte eine Rolle, zum einen die (ggf.<br />

schon bestandskräftige) Besteuerung des strafbewehrt Erlangten sowie der Umstand, dass der anzuordnende<br />

Verfall (von Wertersatz) selbst gewinnmindernd steuerlich Ansatz findet 188 , zum anderen<br />

der Stand des steuerlichen Verfahrens in zeitlicher Hinsicht, demgemäß die Frage nach der Bestandskraft<br />

etwaiger Steuerbescheide bezüglich des maßgeblichen Veranlagungszeitraums.<br />

Infolgedessen ist vorab zu prüfen, ob der zu verhängende Verfall (von Wertersatz) noch steuerlich<br />

Berücksichtigung finden kann, entweder weil das Steuerverfahren noch nicht abgeschlossen ist oder<br />

zumindest Steuerbescheide noch anfechtbar sind. Ist dies der Fall, so wären die Einkünfte des Betroffenen,<br />

durch den Verfallsbetrag entsprechend reduziert, zu versteuern, so dass eine Berücksichtigung<br />

im Rahmen des § 73c StGB unterbliebe. Anderenfalls hat das Strafgericht die Doppelbelastung durch<br />

Anrechnung im Rahmen des Verfalls auszugleichen 189 .<br />

182 Fischer, StGB, 54. Auflage 2011, § 73c Rn. 5; Schmidt, Leipziger Kommentar (LK), StGB, 12. Auflage 2010, Bd.<br />

3 § 73c Rn. 12.<br />

183 Zu vgl. Fischer a.a.O.; Schmidt a.a.O.; Wiedner, Graf/Jäger/Wittig, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, , § 73c<br />

StGB Rn. 17.<br />

184 Schmidt, Leipziger Kommentar (LK), StGB, 12. Auflage 2010, Bd. 3 § 73c Rn. 4.<br />

185 Schmidt, Leipziger Kommentar (LK), StGB, 12. Auflage 2010, Bd. 3 § 73c Rn. 7.<br />

186 Zu vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 31.03.2009, 2 Ws 69/09; LG Bochum, Beschluss vom 09.02.2009, 13 Qs<br />

1/09 – W – (n.v.).<br />

187 Fischer, StGB, 58. Auflage 2011, § 73c Rn. 4a.<br />

188 Das steuerliche Abzugsverbot nach § 12 Nr. 4 EStG bezieht sich nur auf Geldstrafen und ähnliche Sanktionen<br />

und damit nicht auf Maßnahmen mit präventiver Ausrichtung.<br />

189 Vgl. hierzu BGH, Urteil vom 21.03.2002, 5 StR 138/01 (vgl. oben Fall 5); Urteil vom 27.10.2011, 5 StR 14/11;<br />

Fischer, StGB, 58. Auflage 2011, § 73c Rn. 4a m.w.N.; Wiedner, Graf/Jäger/Wittig, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht,<br />

2011, § 73c StGB Rn. 18 m.w.N.<br />

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