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Arbeitshilfe - Justizakademie Nordrhein-Westfalen

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Teil IV Spannungsverhältnis zwischen Sicherungsmaßnahmen und eröffnetem Insolvenzverfahren<br />

Zweifelhaft ist indessen, ob Obiges auch dann gilt, wenn dem Ermittlungs-/Strafverfahren eine<br />

nach dem 31.12.2006 begangene Straftat („Neu-Fall“) zugrunde liegt und somit der Anwendungsbereich<br />

des § 111i StPO (n.F.) eröffnet wäre.<br />

Grundsätzlich würde durch die Arrestpfändung insofern auch ein Pfändungspfandrecht bzw. eine wirksame<br />

Arresthypothek im Sinne des § 80 Abs. 2 Satz 2 InsO begründet 509 .<br />

Die Besonderheit liegt vorliegend jedoch darin, dass die Verletzten noch keine eigenen zivilprozessualen<br />

Schritte unternommen haben und nunmehr auch an eigenen Zwangsvollstreckungsmaßnahmen in<br />

Vermögenswerte des Arrestbetroffenen (=Insolvenzschuldner) aufgrund des bestehenden Einzelvollstreckungsverbots<br />

(§ 89 Abs. 1 InsO) rechtlich gehindert sind. Der Zweck der über § 111i Abs. 3<br />

StPO eröffneten Verlängerung des dinglichen Arrestes um weitere drei Jahre, bekanntermaßen den<br />

Zugriff etwaiger Verletzte auf bereits von der Staatsanwaltschaft vorläufige gesicherte Vermögenswerte<br />

des Arrestbetroffenen im Wege eigener Zwangsvollstreckungsmaßnahmen zu ermöglichen, ist mithin<br />

rechtlich unmöglich geworden.<br />

Es ist daher fraglich, ob im eröffneten Insolvenzverfahren das wirksam begründete (Sicherungs-<br />

)Pfandrecht– weiterhin insolvenzfest – nunmehr auch der Absicherung des noch zu begründenden,<br />

aufschiebend bedingten (im Sinne des § 39 Abs. 1 Nr. 3 InsO nachrangigen) Anspruchs des Staates<br />

auf Verfall im Wege des Auffangrechtserwerbs rechtlich zu dienen imstande ist, ohne indes schon zur<br />

Absonderung nach § 50 Abs. 1 InsO zu berechtigen (vgl. oben).<br />

Diese Fragestellung ist – soweit ersichtlich – in Rechtsprechung und Literatur bislang<br />

kaum behandelt worden.<br />

Greier 510 , auf den auch in einer Entscheidung des AG Göttingen 511 Bezug genommen wird, vertritt die<br />

Ansicht, dass, sofern Verletzte nicht mehr die Möglichkeit haben, auf seitens der Staatsanwaltschaft<br />

vorläufig gesicherte Vermögenswerte insolvenzfest zuzugreifen, auch die insolvenzfest begründeten,<br />

letztlich sinnentleerten Pfändungspfandrechte freizugeben seien. Insoweit bestehe ein Vorrang des<br />

Insolvenzverfahrens; sei schon der Verletzte einer Straftat im Insolvenzverfahren nicht mehr privilegiert,<br />

erscheine es kaum vertretbar, den Staat gegenüber der Gemeinschaft der Gläubiger als bevorzugt<br />

anzusehen.<br />

Dieser Auffassung folgt im Ergebnis auch von Gleichenstein 512 , wenn er auch die Begründung Greiers<br />

als wenig konturiert und inhaltsleer kritisiert.<br />

In derartigen Fallgestaltungen könnten sich nämlich Staatsanwaltschaft und Gerichte routinemäßig,<br />

wären nun die staatlichen Maßnahmen der Arrestvollziehung weder anfechtbar noch wegen der Rückschlagsperre<br />

des § 88 InsO unwirksam, da rechtzeitig ergriffen, den nach der jetzigen Gesetzeslage<br />

subsidiär immer bestehenden Anspruch auf Verfall von Wertersatz vorsorglich, nämlich für den Fall,<br />

dass Verletzte sich nicht melden, durch Pfandrecht und Sicherungshypothek an Vermögensgegenständen<br />

des Täters sichern und damit, da die Geltendmachung von Ansprüchen von Verletzten die Ausnahme<br />

sei, die Folge der Nachrangigkeit ihrer Forderungen in der Insolvenz regelmäßig umgehen. Ein<br />

echtes Absonderungsrecht sei daher fraglich, zum einen weil es zu unterschiedlichen Ergebnissen bei<br />

Verfall einerseits und bei Verfall von Wertersatz andererseits führen würde, zum anderen, da es der<br />

grundsätzlichen Nachrangigkeit des staatlichen Anspruchs widerspräche.<br />

Der Wertungswiderspruch könne auf zweierlei Wegen aufgelöst werden:<br />

Zunächst mit der Auslegung des § 111i Abs. 5 Nr. 1 StPO, indem sie die Bedingung der Bestimmung<br />

als erfüllt ansehe.<br />

Zum anderen wäre ein Absonderungsrecht des Fiskus jedenfalls im Rang der normalen Absonderungsrechte<br />

der §§ 49 ff. InsO zu verneinen, da es sich bei den infrage stehenden Sicherungsrechten<br />

des Staates um solche handele, die im Wege der Arrestvollziehung erworben worden<br />

seien und deswegen per se kein Recht auf Befriedigung verschaffen, sondern ein solches nur sichern<br />

würden.<br />

509 So i.E. auch von Gleichenstein, ZIP 2008, 1151 (1159).<br />

510 Greier, ZInsO 2007, 953 ff.<br />

511 AG Göttingen, Beschluss vom 30.11.2010, 74 IN 236/09.<br />

512 Von Gleichenstein, ZIP 2008, 1151 (1158 ff.).<br />

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