Arbeitshilfe - Justizakademie Nordrhein-Westfalen
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Teil I Materielles Recht der Vermögensabschöpfung<br />
Demnach erstreckt § 73 Abs. 2 Satz 1 StGB den Verfall zwingend auf tatsächlich gezogene Nutzungen<br />
(im Sinne der §§ 99, 100 BGB), also etwa auf Zinsen oder sonstige Dividenden, während § 73 Abs. 2<br />
Satz 2 StGB insoweit Ermessen einräumt, auch auf Surrogate (Ersatzgegenstände) Zugriff zu nehmen.<br />
Sicherungsmaßnahmen im Wege der Beschlagnahme nach §§ 111b Abs. 1 und 111c StPO und der<br />
Verfallsausspruch auch gestützt auf § 73 Abs. 2 StGB sind indes nur dann möglich, wenn Nutzungen<br />
resp. Surrogate ihrerseits im Original noch vorhanden sind. Ist dies hingegen nicht (mehr) feststellbar,<br />
kommt nur noch der Verfall von Wertersatz nach § 73a StGB in Betracht.<br />
Entgegen dem Wortlaut ist der Verfall gemäß § 73 Abs. 2 Satz 1 StGB auch dann möglich und zwingend<br />
anzuordnen, wenn nach dem Untergang des zunächst unmittelbar Erlangten Nutzungen aus dem<br />
angefallenen Surrogat (im Sinne des § 73 Abs. 2 Satz 2 StGB) erzielt worden sind 74 . Anderenfalls würde<br />
der Täter gemessen an seiner Vermögenssituation vor der Tat besser gestellt.<br />
Sieht das Gericht im Rahmen fehlerfrei ausgeübten Ermessens vom (Surrogat-)Verfall ganz oder teilweise<br />
ab, so kommt § 73a Satz 1 Alt. 3 StGB (anteilig) zum Tragen.<br />
Lösung Fall 10<br />
A. und B. haben die ursprünglich in bar vereinnahmten (Original-)Erlöse von jeweils<br />
50.000,- Euro investiert, A. auf einem Festgeldkonto und B. über den Kauf der Gaststätte,<br />
und damit Surrogate (im Sinne des § 73 Abs. 2 Satz 2 StGB) erlangt, nämlich<br />
bei A. die Forderung auf Auszahlung des Guthabenbetrages und bei B. die Gaststätte.<br />
Die darüber hinaus jeweils erzielten Nutzungen unterliegen gleichfalls dem Verfall.<br />
Bei beiden Tätern kann daher die Verfallsanordnung ausschließlich auf § 73 Abs. 2<br />
StGB gestützt werden, sofern diese mittelbaren Tatvorteile insgesamt noch vorhanden<br />
sind. Sollte die Gaststätte dagegen an Wert verloren haben und ggf. nur schwer<br />
veräußerbar sein, wäre es aber auch möglich, neben dem Verfall der erzielten Pachtzinsen<br />
anteilig den Verfall von Wertersatz in Höhe von 50.000,- Euro anzuordnen.<br />
Unter taktischen Gesichtspunkten macht dies aber nur dann Sinn, wenn B. noch über<br />
weitere legale Vermögenswerte verfügt.<br />
Bei C. ist der Verfall nach § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB gleichfalls unmöglich geworden.<br />
Auch der Verfall des ersatzhalber erworbenen Pkws im Wert von 60.000,- Euro scheidet<br />
aus. Rückgriff kann vielmehr genommen werden auf die von der Versicherung<br />
gewährte Entschädigungszahlung in Höhe von 55.000,- Euro als Surrogat des Surrogates.<br />
Der weitergehende auf § 73a Satz 2 StGB gestützte Verfall von Wertersatz in<br />
Höhe von 5.000,-Euro als Differenz zwischen dem ursprünglichen Verkehrswert des<br />
Mercedes und der Versicherungsleistung dürfte dagegen ausscheiden, da der Wortlaut<br />
der Norm diesen Fall nicht erfasst und ansonsten der Täter ungerechtfertigt belastet<br />
würde. Wäre dagegen im Ausgangsfall der Mercedes nur 40.000,- Euro wert<br />
gewesen und nicht untergegangen, so käme neben dem Verfall des Mercedes nach §<br />
73 Abs. 2 Satz 2 StGB der anteilige Verfall von Wertersatz gem. § 73a Satz 2 StGB<br />
über 10.000,- Euro infrage.<br />
1.2.4 Der dritteigentümerbezogene Verfall gem. § 73 Abs. 4 StGB<br />
Nach § 73 Abs. 4 StGB wird der Verfall eines Gegenstandes auch dann angeordnet, wenn er einem<br />
Dritten gehört oder zusteht, der ihn für die Tat oder sonst in Kenntnis der Tatumstände gewährt hat.<br />
Anders als bei § 73 Abs. 1, 2 und 3 StGB fallen hier Gewahrsam und dingliche Position resp. Rechtsinhaberschaft<br />
an dem Gegenstand insofern auseinander, dass Täter, Teilnehmer oder Andere (im Sinne<br />
des § 73 Abs. 3 StGB) Gewahrsam an dem Verfallsgegenstand haben, während ein Dritter dinglich<br />
berechtigt bzw. Rechtsinhaber ist.<br />
Erfasst sind somit – wie oben im Fall 1 – Konstellationen, in denen eine nicht notwendig tatbeteiligte<br />
dritte Person dem Täter einen Gegenstand zugewendet hat, dieser aber – wegen Nichtigkeit des<br />
Übereignungsgeschäfts nach §§ 134, 138 BGB – nicht Eigentümer geworden ist, so dass der Verfall<br />
nach § 73 Abs. 1 StGB ausscheidet 75 ; lediglich eine Gebrauchsüberlassung seitens des Dritten ist aber<br />
74 Fischer, StGB, 58. Auflage 2011, § 73 Rn. 26.<br />
75 Fischer, StGB, 58. Auflage 2011, § 73 Rn. 39.<br />
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