Arbeitshilfe - Justizakademie Nordrhein-Westfalen
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Teil IV Spannungsverhältnis zwischen Sicherungsmaßnahmen und eröffnetem Insolvenzverfahren<br />
11. Kurze Einführung in das Insolvenzrecht<br />
Ein Insolvenzverfahren kann nur auf Antrag entweder des Schuldners oder des Gläubigers eröffnet<br />
werden (§ 13 Abs. 1 InsO). Schuldner kann neben einer natürlichen oder juristischen Person auch<br />
eine in § 11 Abs. 2 InsO näher bezeichnete Gesellschaft oder Gütergemeinschaft sein.<br />
Eröffnungsgrund ist Zahlungsunfähigkeit, drohende Zahlungsunfähigkeit sowie Überschuldung des<br />
Schuldners (§§ 16 ff. InsO). Weiter ist erforderlich, dass genügend Masse zur Verfügung steht; anderenfalls<br />
ist das Verfahrens mangels Masse abzuweisen (§ 26 InsO).<br />
Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens führt dazu, dass die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis<br />
über das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen (§§ 35, 36 InsO) vom Schuldner auf den Insolvenzverwalter<br />
übergeht (§ 80 Abs. 1 InsO; vgl. auch § 81 InsO).<br />
Im Vorfeld kann das Insolvenzgericht Sicherungsmaßnahmen nach § 21 InsO treffen, etwa über die<br />
Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters (§ 21 Abs. 2 Nr. 1 InsO) und/oder die Auferlegung<br />
eines allgemeinen Verfügungsverbotes (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO).<br />
Besonders für noch auszubringende bzw. schon ausgebrachte Beschlagnahmen und Pfändungen in<br />
Vollziehung der Sicherungstitel nach §§ 111b ff. StPO sind mehrere Bestimmungen in der InsO, welche<br />
die Eröffnung des Insolvenzverfahrens inzidenter voraussetzen und in zeitlicher Hinsicht Fixpunkte<br />
darstellen, von Bedeutung.<br />
Im Mittelpunkt steht dabei das Vollstreckungsverbot nach § 89 InsO, welches Einzelzwangsvollstreckungsmaßnahmen<br />
in das Masse- und sonstige Schuldnervermögen während der Dauer des Insolvenzverfahrens<br />
verbietet.<br />
Frage:<br />
Was ist die Rückschlagsperre?<br />
Eine zeitlich rückwirkende Funktion kommt der sogenannten „Rückschlagsperre“ nach § 88 InsO zu:<br />
Hat ein Insolvenzgläubiger im letzten Monat vor Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder<br />
bereits nach Antrag durch Zwangsvollstreckung eine Sicherheit an dem zur Insolvenzmasse gehörenden<br />
Vermögen des Schuldners erlangt, so wird diese Sicherung mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens<br />
unwirksam.<br />
Schließlich eröffnen die §§ 129 ff. InsO für den Insolvenzverwalter die Möglichkeit, Rechtshandlungen,<br />
die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden sind und die Insolvenzgläubiger<br />
benachteiligen, anzufechten. Aus staatsanwaltschaftlicher Sicht ist hierbei die Anfechtbarkeit bei sogenannter<br />
inkongruenter Deckung von besonderer Relevanz (§ 131 InsO). Dieser Anfechtungsgrund ist<br />
erfüllt, wenn eine Rechtshandlung einem Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt<br />
oder ermöglicht hat, die er nicht oder nicht in der Art, etwa durch Zwangsvollstreckung im<br />
Rahmen der Vollziehung eines dinglichen Arrestes 475 , oder nicht zu der Zeit zu beanspruchen hatte. Im<br />
Übrigen wird zwischen verschiedenen Zeitpunkten, zu denen die Handlung vorgenommen wurde, differenziert.<br />
Auch die Klassifizierung der Insolvenzgläubiger ist vorliegend von Interesse.<br />
Die InsO differenziert zwischen allgemeinen Insolvenzgläubigern (§ 38 InsO) und nachrangigen Insolvenzgläubigern<br />
(§ 39 InsO).<br />
Zwischenzeitlich ist höchstrichterlich geklärt, dass Ansprüche des Staates auf Verfall und Einziehung<br />
von Wertersatz gem. §§ 73a, 74c StGB nachrangige Insolvenzforderungen im Sinne des § 39 Abs. 1<br />
Nr. 3 InsO darstellen, da sie als Nebenfolgen einer Straftat zu einer Geldzahlung verpflichten 476 . Insofern<br />
ist es im Umkehrschluss folgerichtig, dass der Anordnung des Verfalls von Wertersatz grundsätz-<br />
475<br />
Markgraf, Der Grundsatz der par conditio creditorum im Spannungsverhältnis zu der strafprozessualen Vermögensabschöpfung<br />
(Diss.), 2008, S. 99 ff.<br />
476<br />
BGH, Urteil vom 11.05.2010, IX ZR 138/09; OLG Karlsruhe, Urteil vom 26.06.2009, 14 U 107/08; a.A. LG Of-<br />
fenburg, Urteil vom 22.07.2008, 2 O 155/07.<br />
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